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Begünstigung von Personalratsmitgliedern durch zu hohe Eingruppierung

Wird ein freigestelltes Personalratsmitglied vom Arbeitgeber zu hoch eingruppiert, kann dies eine Korrektur dieser Eingruppierung ohne Änderungskündigung rechtfertigen. Das hat das LAG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 23.10.2019 (Az. 17 Sa 2297/18) entschieden und die vorgenommene Rückgruppierung von der zunächst gewährten Eingruppierung nach Entgeltgruppe 14 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (E 14 TVöD) in die als zutreffend anzusehende nach Entgeltgruppe 6 des TVöD bestätigt.

Sachverhalt

Die Beklagte betreibt als Anstalt des öffentlichen Rechts Abfallwirtschaft und Reinigung. Der Kläger verfügt über eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugschlosser mit Spezialisierung Berufskraftfahrer und ist seit 1981 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern tätig, wobei er zunächst als Kraftfahrer eingesetzt war. Seit 1990 wurde der Kläger durchgehend in den Personalrat gewählt und ist seither zur Wahrnehmung von Personalratsaufgaben von seiner Tätigkeit als Kraftfahrer freigestellt. Während der Freistellung erwarb er eine Zusatzqualifikation zum Personalfachkaufmann.

Der Kläger war ebenso wie die meisten Kraftfahrer der Beklagten in die E 6 TVöD eingruppiert. Er beantragte beim damaligen Personalvorstand die Nachzeichnung seines beruflichen Werdegangs, das heißt die Feststellung der Eingruppierung, die er ohne seine Freistellung als Personalrat erreicht hätte. Ferner bewarb sich der Kläger auf die nach E 15 TVöD bewertete Stelle als Betriebshofleiter der Müllabfuhr. Der Personalvorstand teilte dem Kläger mit, er könne im Hinblick für eine Stelle als Leiter Verwaltung/Personal, bewertet nach E 14 TVöD aufgebaut werden. Der Kläger erklärte sich mit dieser Nachzeichnung seines Werdegangs einverstanden und nahm seine Bewerbung zurück. Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Zustimmung des Personalrats ab 2012 eine Vergütung nach E 14 TVöD. Eine Eingruppierung nach E 14 TVöD oder E 15 TVöD setzt unter anderem ein abgeschlossenes Hochschulstudium oder gleichwertige Kenntnisse voraus.

Mitte 2017 teilte die Beklagte dem Kläger nach einem Wechsel im Vorstand mit, die Eingruppierung in die E 14 TVöD verstoße gegen das gesetzliche Verbot, Personalräte aufgrund ihres Amtes zu bevorteilen, er werde künftig nach E 6 TVöD vergütet. Hiergegen hat sich der Kläger gewandt und weiterhin eine Vergütung nach E 14 TVöD gefordert.

Mit seinem Begehren hatte der Kläger weder in der ersten noch in der zweiten Instanz Erfolg. Das LAG hat die Revision an das BAG nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Vergütung nach E 14 TVöD. Die Zuordnung des Klägers zur E 14 TVöD sei unter keinen Umständen gerechtfertigt und habe den Kläger in unerlaubter Weise wegen seines Personalratsamts begünstigt, so das Gericht. Die von der Beklagten zunächst vorgenommene Nachzeichnung unter Heranziehung von zwei Beschäftigten mit Hochschulabschluss sei unzutreffend. Die Bewerbung des Klägers auf eine Stelle, deren Voraussetzungen er offensichtlich nicht erfüllt habe, ändere hieran nichts. Dasselbe gelte für die seinerzeit vorgenommene nicht nachvollziehbare Bewertung des Personalvorstands.

Hinweis für die Praxis

Das LAG Berlin-Brandenburg entschied hier einen Streit, welcher in ähnlicher Form nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern vor allem in der Privatwirtschaft entsteht. Die Frage der Vergütung von insbesondere – teilweise über Jahrzehnte hinweg – freigestellten Betriebsratsmitgliedern beschäftigt die Arbeitsgerichte regelmäßig. Sowohl die Personalratsmitglieder als auch die Betriebsratsmitglieder führen ihre Ämter unentgeltlich als Ehrenämter (§ 46 Abs. 1 BPersVG / § 37 Abs. 1 BetrVG) und erhalten nach dem Lohnausfallprinzip (§ 46 Abs. 2 S. 1 BPersVG / § 37 Abs. 2, 4 BetrVG) das Entgelt, das sie erhalten hätten, wenn sie an Stelle der Amtstätigkeit ihre Arbeitsleistung erbracht hätten. Für beide Personengruppen gilt ferner ein Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot (§ 8 BPersVG / § 78 S. 2 BetrVG). Das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot gilt auch im Hinblick auf die berufliche Entwicklung des erfassten Personenkreises und hat u.a. zur Folge, dass während der Amtszeit das Entgelt demjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer fortlaufend anzupassen ist. Die Ermittlung der richtigen Entgelthöhe bedarf stets einer genauen Einzelfallbetrachtung bei fiktiver Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs des Amtsträgers. Der Amtsträger darf dabei weder besser noch schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer Arbeitnehmer ohne ein entsprechendes Amt.

Auch wenn frei nach dem Motto „Wo kein Kläger, da kein Richter“ Arbeitgeber sich beispielsweise in Zweifelsfällen eher zu einer höheren Vergütung der (freigestellten) Amtsträger hinreißen lassen möchten, da dies i.d.R. auf keinen Widerstand seitens des Amtsträgers stoßen und damit nicht zum Streit führen wird, ist von dieser „Lösung“ dringend abzuraten. Eine unbegründet zu hoch bemessene Vergütung kann eine verbotene Begünstigung des Amtsträgers darstellen, die z.B. in Unternehmen der Privatwirtschaft unter Strafandrohung nach § 119 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG steht. Zudem kann auf die Unternehmensleitung ein Strafverfahren wegen Untreue nach § 266 StGB zukommen (vgl. VW-Fall Gebauer/Volkert: BGH, Urteil v. 17.09.2009 – 5 StR 521/08).

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