andreas imping arbeitsrecht 1.jpgnadja schmidt vertriebsrecht.jpg

Ausübung des Direktionsrechts zur Konfliktlösung

Wie ein Arbeitgeber auf Konfliktlagen am Arbeitsplatz reagieren will, bleibt grundsätzlich ihm überlassen. Er ist jedenfalls nicht gehalten, vor Zuweisung einer anderen Tätigkeit zunächst eine Abmahnung auszusprechen. Dies hat das BAG mit Urteil vom 24.10.2018 (10 AZR 19/18) in Fortführung seiner früheren Rechtsprechung klargestellt.

Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob die Abberufung der Klägerin als Fachleiterin für den sprachlichen Bereich an einem Gymnasium wirksam ist.

Die Klägerin arbeitet seit 2001 beim beklagten Freistaat als sog. vollbeschäftigte Lehrkraft an einem Gymnasium. Mit Wirkung zum 1. Mai 2012 übertrug der Beklagte der Klägerin unter Berufung auf sein Weisungsrecht zusätzlich die Tätigkeit als Fachleiterin für den sprachlichen Fachbereich an dem Gymnasium. Nach einer Bewährungszeit wurde die Klägerin in die Entgeltgruppe 14 TV-L höhergruppiert.

Im Dezember 2015 und Januar 2016 kam es wegen eines Flyers, in dem die Klägerin als eigene Leistung ein Sprach- und Ausdruckstraining unter der Marke des Gymnasiums angeboten und in Umlauf gebracht hatte, zu wiederholten Gesprächen zwischen der Klägerin und dem Beklagten. Der Beklagte wertete den Verlauf dieser Gespräche als Ausdruck einer Störung der Kommunikation und der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Er berief die Klägerin daher Ende Januar 2016 mit sofortiger Wirkung von ihrer Tätigkeit als Fachleiterin ab. Die Klägerin wird weiterhin als Lehrkraft an dem Gymnasium beschäftigt und nach Entgeltgruppe 14 TV-L vergütet.

Die Klägerin hat sich erst- und zweitinstanzlich ohne Erfolg gegen ihre Abberufung als Fachleiterin gewandt. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Letztere blieb ebenfalls ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Der Beklagte habe der Klägerin die Funktion als Fachleiterin im Weg des Weisungsrechts (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) entziehen können, da diese Tätigkeit nicht Inhalt des Arbeitsvertrags der Parteien geworden sei.

a) Nach dem Arbeitsvertrag sei die Klägerin als sog. vollbeschäftigte Lehrkraft eingestellt worden. Diese Tätigkeit sei auch nach Übertragung der Fachleitertätigkeit prägend. Sie werde nur um Elemente ergänzt, die ebenfalls zum schulischen Bereich gehören. Die Aufgabe eines Fachleiters könne nur an eine Lehrkraft übertragen werden. Auch das vorgesehene Bewerbungs- und Auswahlverfahren und das damit einhergehende Einverständnis der Lehrkraft zu der Aufgabenübertragung stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Das Einverständnis der Klägerin sei nur ein bei Ausübung des Direktionsrechts nach billigem Ermessen zu berücksichtigendes Kriterium.

b) Da die Tätigkeit als Fachleiterin nicht Inhalt des Arbeitsvertrages geworden sei, habe der Beklagte der Klägerin im Rahmen billigen Ermessens (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) eine Tätigkeit auch ohne diese Aufgabe zuweisen können.

Der Beklagte habe die Funktion als Fachleiterin aus dienstlichen Interessen entzogen und dabei die Grenzen billigen Ermessens nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gewahrt. Denn das Interesse des Beklagten an einer störungsfreien Kommunikation zwischen Fachleiter und Schulleitung sei ein wesentliches Kriterium für deren vertrauensvolle Zusammenarbeit und könne ein Problem in diesem Bereich ein Grund für die Abberufung sein.

Der Beklagte war vor Zuweisung einer Tätigkeit ohne die Funktion als Fachleiterin auch nicht gehalten, eine Abmahnung auszusprechen, zumal diese angesichts der in ihr enthaltenen Kündigungsandrohung nicht als „milderes Mittel“ angesehen werden könne.

2. Mitbestimmungsrechte des Personalrates seien ebenfalls nicht betroffen, da die Entbindung der Klägerin von der Fachleitertätigkeit und die damit verbundene ausschließliche Zuweisung einer Tätigkeit als Lehrkraft an einem Gymnasium keine Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit darstelle.

Hinweise für die Praxis

Das BAG führt seine frühere Rechtsprechung fort. Bereits mit Urteil vom 24.04.1996 – 5 AZR  1031/94 hat das BAG entschieden, dass in dem Fall, dass zwischen Arbeitnehmern Spannungen bestehen, der Arbeitgeber der Konfliktlage durch Umsetzung eines der Arbeitnehmer begegnen könne. Der Arbeitgeber sei insofern nicht gehalten, anstelle der Umsetzung eine Abmahnung auszusprechen. Dies ist überzeugend. Eine Abmahnung belastet den betroffenen Arbeitnehmer in der Regel jedenfalls mehr als eine Umsetzung oder – wie hier – die Entbindung von Fachleiteraufgaben, da sie im Falle der Wiederholung des als vertragswidrig gerügten Verhaltens die Kündigung des Arbeitsverhältnisses androht. Gemäß § 106 S. 1 GewO darf das Direktionsrecht vom Arbeitgeber jedoch nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Dies bedeutet, dass bei der Ausübung des Direktionsrechts alle Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden müssen. Ob dies geschehen ist, unterliegt nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB der gerichtlichen Kontrolle (BAG, Urt. v. 30.11.2016 – 10 AZR 11/16; BAG, Urt. v. 10.12.2014 – 10 AZR 63/14).

Kontakt > mehr