Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anspruch auf Mindestlohn bei einem Praktikum – Unterbrechung des Praktikums

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 30.01.2019 (5 AZR 556/17) entschieden, dass Praktikanten keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben, wenn sie das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten und es eine Dauer von drei Monaten nicht übersteigt. Ein solches Praktikum kann jedenfalls aus Gründen in der Person des Praktikanten/der Praktikantin rechtlich oder tatsächlich unterbrochen und um die Dauer der Unterbrechungszeit verlängert werden, wenn zwischen den einzelnen Abschnitten ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und die Höchstdauer von drei Monaten insgesamt nicht überschritten wird.

Sachverhalt

Die Klägerin vereinbarte mit der Beklagten, die eine Reitanlage betreibt, ein dreimonatiges Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung zur Pferdewirtin. Das Praktikum begann am 06.10.2015. Die Klägerin putzte und sattelte die Pferde, stellte sie auf ein Laufband, brachte sie zur Weide und holte sie wieder ab, fütterte sie und half bei der Stallarbeit. In der Zeit vom 03. bis 06.11.2015 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Ab dem 20.12.2015 trat sie in Absprache mit der Beklagten über die Weihnachtsfeiertage einen Familienurlaub an. Während des Urlaubs verständigten sich die Parteien darauf, dass die Klägerin erst am 12.01.2016 in das Praktikum bei der Beklagten zurückkehrt, um in der Zwischenzeit auf anderen Pferdehöfen „Schnuppertage“ verbringen zu können. Das Praktikum bei der Beklagten endete am 25.01.2016. Die Beklagte zahlte der Klägerin während des Praktikums keine Vergütung.

Die Klägerin hat von der Beklagten für die Zeit ihres Praktikums Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in einer Gesamthöhe von EUR 5.491,00 brutto gefordert. Sie war der Meinung, die gesetzlich festgelegte Höchstdauer eines Orientierungspraktikums von drei Monaten sei überschritten worden. Daher sei ihre Tätigkeit mit dem Mindestlohn von EUR 8,50 pro Stunde zu vergüten.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht gab der Klage noch statt. Hingegen wies das Landesarbeitsgericht die Klage auf Berufung der Beklagten ab und das Bundesarbeitsgericht anschließend die Revision der Klägerin zurück.

Ein Anspruch auf den eingeklagten gesetzlichen Mindestlohn besteht nach Ansicht des BAG nicht, weil das zwischen den Parteien vereinbarte Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung die Höchstdauer von drei Monaten nicht überschritten hatte. Unterbrechungen eines Praktikums sind innerhalb dieses Rahmens zwar möglich, aber nur wenn der Praktikant/die Praktikantin hierfür persönliche Gründe hat und die einzelnen Abschnitte sachlich und zeitlich zusammenhängen. Diese Voraussetzungen lagen nach Ansicht des BAG vor. Das Praktikum wurde wegen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und auf eigenen Wunsch der Klägerin für nur wenige Tage unterbrochen und im Anschluss an die Unterbrechungen jeweils unverändert fortgesetzt.

Der von der Klägerin auch geltend gemachte Anspruch auf angemessene Vergütung nach dem Berufsbildungsgesetz hatte aus prozessualen Gründen keinen Erfolg.

Hinweise für die Praxis

Die Klage hatte keinen Erfolg, weil die Klägerin unter die gesetzliche Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG fiel und sie deshalb nicht als Arbeitnehmerin im Sinne des Mindestlohngesetzes anzusehen war. Das BAG hat dabei bestätigt, dass Unterbrechungen eines Praktikums unschädlich sein können.

Auf die gesetzliche Ausnahmeregelung kommt es indes erst dann an, wenn das zwischen den Parteien begründete Rechtsverhältnis, trotz seiner Bezeichnung als Praktikantenverhältnis, nicht tatsächlich als Arbeitsverhältnis zu bewerten ist. Die Entscheidungsgründe des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf zeigen, dass die Parteien auch hierüber gestritten hatten, ob es sich nämlich bei dem Rechtsverhältnis „noch“ um ein Orientierungspraktikum oder „schon“ um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hatte. Im Ergebnis gingen das Landesarbeitsgericht und auch das BAG von einem Orientierungspraktikum aus. Diese Abgrenzung kann im Einzelfall aber schwierig sein. Wenn aufgrund der tatsächlichen Ausgestaltung und der Durchführung des Vertragsverhältnisses tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hätte, hätte der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf Mindestlohn zugestanden.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte schließlich auch geprüft, ob der Klägerin evtl. ein Anspruch auf eine Vergütung in Form einer Aufwandsentschädigung oder Beihilfe zum Lebensunterhalt zustehen könnte, da ihr eben kein Anspruch auf den Mindestlohn zustand. Im Ergebnis verneinte es die Frage, weil es sich um einen anderen Streitgegenstand gehandelt hätte. Voraussichtlich wird sich das BAG mit dieser für die Praxis auch wichtigen Frage in den Entscheidungsgründen nicht auseinandersetzen, da die Revision insoweit aus prozessualen Gründen keinen Erfolg hatte.

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