Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Zuweisung von Telearbeit und außerordentliche Kündigung wegen Arbeitsverweigerung

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 10.10.2018 (17 Sa 562/18) entschieden, dass ein Arbeitgeber nicht allein aufgrund seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts berechtigt ist, dem Arbeitnehmer einen Telearbeitsplatz zuzuweisen. Lehnt der Arbeitnehmer die Ausführung der Telearbeit ab, liegt deshalb keine beharrliche Arbeitsverweigerung vor. Eine aus diesem Grund ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber beschäftigte den Kläger als Ingenieur. Der Arbeitsvertrag enthielt keine Regelungen zu einer Änderung des Arbeitsorts. Der Arbeitgeber bot dem Arbeitnehmer nach einer Betriebsschließung an, seine Tätigkeit im „Homeoffice“ zu verrichten. Nachdem der Arbeitnehmer hierzu nicht bereit war, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung wie schon zuvor das Arbeitsgericht für unwirksam gehalten.

Ein Arbeitgeber ist hiernach allein wegen seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts aus § 106 GewO nicht berechtigt, dem Arbeitnehmer einen Telearbeitsplatz einseitig zuzuweisen. Lehnt der Arbeitnehmer die Ausführung der Telearbeit ab, liegt deshalb keine beharrliche Arbeitsverweigerung vor. Eine aus diesem Grund ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg unterscheiden sich die Umstände der Telearbeit in erheblicher Weise von einer Tätigkeit, die in einer Betriebsstätte zu verrichten sind. Dass Arbeitnehmer z.B. zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf an einer Telearbeit interessiert sein können, führt aber nicht deshalb zu einer entsprechenden Erweiterung des Weisungsrechts des Arbeitgebers.

Hinweise für die Praxis

Die Reichweite des Direktionsrechts ist regelmäßig Gegenstand von Entscheidungen der Arbeitsgerichtsbarkeit. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte mit Urteil vom 18.10.2017 (10 AZR 330/16) entschieden, dass ein Arbeitnehmer nach §§ 106 Satz 1 GewO, 315 BGB nicht – auch nicht vorläufig – an eine Weisung des Arbeitgebers gebunden ist, die die Grenzen billigen Ermessens nicht wahrt. Sanktionen können vonseiten des Arbeitgebers an die Nichtbefolgung einer solchen unbilligen Weisung nicht geknüpft werden. Das BAG hat mit Urteil vom 24.10.2018 (10 AZR 19/18) auch nochmals klargestellt, dass eine Klage, mit der ein Arbeitnehmer im Rahmen eines Feststellungsantrags die Unwirksamkeit der Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber rügt, grundsätzlich zulässig ist.

Für einen Arbeitnehmer kann es gefährlich sein, sich nicht an eine Weisung zu halten, die eben doch vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt war. Er riskiert in diesen Fällen, dass ein Arbeitgeber wirksam kündigt, weil eine beharrliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten nach der ständigen Rechtsprechung auch als ein die außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigender Grund in Betracht kommt, und das gilt sowohl für eine Verletzung der Hauptleistungspflicht als auch von Nebenpflichten (BAG 23.8.2018, 2 AZR 235/18).

Im vorliegenden Fall war nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg die Weisung nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt, deshalb war die Kündigung auch nicht wirksam. Der Arbeitnehmer hatte – rückblickend – die richtige Entscheidung getroffen. Ein Arbeitnehmer muss sich aber sehr sicher sein, dass er die Arbeit tatsächlich zu Recht verweigern darf, ansonsten sollte er erwägen, auf Feststellung der Unwirksamkeit der Weisung zu klagen und zumindest vorläufig die Arbeit unter Vorbehalt zu verrichten. Verweigert der Arbeitnehmer die Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat nämlich grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als falsch erweist (vgl. BAG 28.06.2018, 2 AZR 436/17).

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