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Rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht

Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 16.10.2018 (Az.: L 13 R 4841/17) entschieden, dass die Befreiung als Syndikusrechtsanwalt von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI für die Zeit zurückwirkt, für die Mindestbeiträge i.H.v. 30 v. Hundert des Regelpflichtbeitrages gemäß § 13 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg gezahlt wurden.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die rückwirkende Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht. Die seit 2008 als Rechtsanwältin zugelassene und zunächst von der Versicherungspflicht befreite Klägerin beantragte im Februar  2013 erneut die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, nachdem sich ihre Tätigkeit inhaltlich geändert hatte. Der Antrag wurde von der beklagten DRV abgelehnt, das Verwaltungsverfahren jedoch unter Hinweis auf die seinerzeit erwarteten Urteile des BSG vom 03.04.2014 zum Ruhen gebracht. Nachdem sich zum 01.01.2016 die Gesetzeslage geändert und die Klägerin als inzwischen zugelassene Syndikusanwältin einen Antrag auf zukünftige und rückwirkende Befreiung gestellt hatte, erteilte die Beklagte die (rückwirkende) Befreiung ab dem 01.04.2014. Die rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.03.2014 lehnte sie mit der Begründung ab, die Klägerin habe keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt. Das SG Freiburg hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben.

Entscheidungsgründe

Das LSG bestätigt die Feststellung der I. Instanz, wonach die Voraussetzungen für eine rückwirkende Befreiung vorliegen, da u.a. für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk im Sinne des § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI gezahlt worden sind. Das Gericht verweist zur Begründung insbesondere auf den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 19.07.2016 (Az.: 1 BvR 2584/14). Danach sind auch die nach § 13 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg vorgesehenen Mindestbeiträge einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne von § 231 Abs. 4b SGB VI sind). Weil die Klägerin auch keine zusätzlichen Beiträge zahlen konnte hält das LSG eine andere Auslegung des § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI für zweckverfehlend, da der Gesetzgeber – mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Ausnahme einer eingetretenen Bestandskraft – einen umfassenden Vertrauens- und Bestandschutz einräumen wollte. Die von der Beklagten befürchtete nicht vollwertige Absicherung könne durch einen Ausgleich nach § 286f Satz 1 SGB VI abgewendet werden.

Hinweise für die Praxis

Gegenwärtig sind verschiedene Landessozialgerichte (Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen-Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen) mit Berufungsverfahren zu der konkreten Rechtsfrage anhängig, die von nahezu einem Dutzend Sozialgerichten bisher sehr unterschiedlich beschieden worden ist. Erfreulicherweise hat sich das LSG Baden-Württemberg ausdrücklich der Auffassung des BVerfG angeschlossen. Aufgrund der Erfahrungen in den Auseinandersetzungen mit der DRV steht indes zu befürchten, dass der Sozialversicherungsträger versuchen wird, mit einer Nichtzulassungsbeschwerde die Revision zum BSG zu erreichen. Abzuwarten ist auch, wie sich nunmehr die vier anderen Landessozialgerichte, bei denen weitere Verfahren anhängig sind, positionieren.

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