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Legal Privilege in Deutschland – Kein umfassender Schutz anwaltlicher Verschwiegenheit

In der angelsächsischen und US-amerikanischen Rechtsordnung gilt das Prinzip des „Legal Privilege“ bzw. „Attorney Client Privilege“. Dieses Anwaltsprivileg gewährt einen umfassenden Schutz der gesamten Kommunikation zwischen Mandant und Anwalt und gilt auch gegenüber den internen Unternehmensjuristen.

Das Legal Privilege hat seine Grundlage im Prozessrecht. Die angelsächsischen bzw. US-amerikanische Prozessordnung ist geprägt vom sogenannten Disclosure (in den USA: Discovery). Danach sind die Prozessparteien verpflichtet, sämtliche streitrelevanten Unterlagen und Korrespondenz dem Gericht und der anderen Prozesspartei zur Verfügung zu stellen – und zwar auch dann, wenn das für eigene Position ungünstig ist. Von dieser weiten Vorlagepflicht ausgenommen ist die Korrespondenz, die eine Prozesspartei mit ihren Anwälten geführt hat. Das Legal Privilege gilt dabei nicht nur für die Korrespondenz mit externen Anwälten sondern auch mit internen Unternehmensjuristen. Durch die Anwendung des Legal Privilege soll sichergestellt werden, dass sich Mandant und Anwalt vertraulich über Chancen und Risiken eines Rechtsstreit austauschen können, ohne dies offenbaren zu müssen.

Der deutschen Rechtsordnung ist ein solch umfassendes Legal Privilege fremd, und das aus gutem Grund. Im deutschen Zivilprozessrecht bestimmen die Parteien selbst, welchen Sachverhalt sie vortragen und welche Beweismittel sie vorgelegen. Niemand ist gezwungen, Unterlagen vorzulegen, die für die eigene Position ungünstig sind. Daher bedarf es auch keiner besonderen Privilegien für die Korrespondenz mit den rechtlichen Beratern.

Anders ist die Lage allerdings in Strafverfahren. Gegenüber Ermittlungsbehörden müssen grundsätzlich alle angeforderten Unterlagen offengelegt werden. Das gilt auch für die Korrespondenz zwischen Unternehmen und Anwälten. So hat das Bundesverfassungsgericht jüngst für die VW-Untersuchungen klargestellt (Beschl. v. 27.06.2018 – 2 BvR 1405/17, 2 BvR 1780/17, 2 BvR 1562/17, 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/17): Einen absoluten Schutz jeglicher Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant gibt es im deutschen Recht nicht. Daher durfte die Staatsanwaltschaft die in einem deutschen Büro einer US-Anwaltskanzlei beschlagnahmte Unterlagen von VW aus internen Ermittlungen zum Abgasskandal auswerten.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die anwaltliche Korrespondenz in Deutschland gänzlich ohne Schutz wäre. Für Anwälte gilt nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht. Einem Unternehmensjuristen steht ein Zeugnisverweigerungsrecht dann zu, wenn und soweit er mit typischen anwaltlichen Aufgaben betraut ist. Dem Zeugnisverweigerungsrecht entspricht das Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO. Demnach dürfen  Aufzeichnungen über Mitteilungen des Beschuldigten, die sich im Gewahrsam eines zeugnisverweigerungsberechtigten Anwalts befinden, im Rahmen eines Strafverfahrens nicht beschlagnahmt werden. Informationen, die der Beschuldigte seinem Anwalt anvertraut hat, sind also vor der Offenlegung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden geschützt. Der Beschlagnahmeschutz für Unternehmen, die formal gesehen keine Beschuldigten im Strafverfahren sein können, besteht bei einer beschuldigtenähnlichen Stellung des Unternehmens. Eine solche ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmen, wenn eine künftige Nebenbeteiligung (§ 444 StPO – Nebenbeteiligung bei drohender Geldbuße nach § 30 OWiG) in Betracht kommt. Der Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit wird flankiert vom grundrechtlichen Schutz der Kanzleiräume. Diese sind nach Art. 13 GG grundsätzlich unverletzlich. Durchsuchungen von Kanzleiräumen müssen sich an einem strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab messen lassen.

Das Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO gilt jedoch nur bei einer Beschuldigtenstellung des Mandanten. Eine Ausdehnung des Beschlagnahmeschutzes auf sämtliche Mandatsverhältnisse unabhängig von einer Beschuldigtenstellung hält das Bundesverfassungsgericht für nicht geboten. Eine erweiterte Auslegung würde zu einem weitreichenden Schutz vor Beschlagnahme und darauf gerichteten Durchsuchungen bei Berufsgeheimnisträgern führen und die verfassungsrechtlich gebotene Effektivität der Strafverfolgung erheblich beschneiden. Das Bundesverfassungsgericht sieht auch ein hohes Missbrauchspotential, sollte sich der Beschlagnahmeschutz auf sämtliche Mandatsverhältnisse erstrecken, da Beweismittel gezielt in die Sphäre eines Rechtsanwalts verlagert werden könnten. Beschlagnahmeschutz genießt ein Unternehmen daher nicht, wenn es ein künftiges Ermittlungsverfahren lediglich befürchtet und sich vor diesem Hintergrund anwaltlich beraten bzw. interne Untersuchungen durchführen lässt. Bei einer Durchsuchung der Kanzleiräume kann sich eine deutsche Anwaltskanzlei indes auf Art. 13 GG berufen. Die Durchsuchung wird dann auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft, wobei ein strenger Maßstab angelegt wird.

Fazit: Vorsicht ist geboten bei der Vergabe des Untersuchungsauftrags an eine Kanzlei, deren Hauptverwaltungssitz sich außerhalb der EU befindet. Denn ihr ist die Berufung auf die Grundrechte ganz generell verwehrt – und zwar auch dann, wenn in ihrem deutschen Büro deutsche Rechtsanwälte arbeiten. Bleibt als Empfehlung: entweder eine deutsche Kanzlei mit internen Ursuchungen beauftragten oder Unterlagen nur außerhalb Deutschlands oder auf Servern im Ausland lagern!

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