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Kein Ausschluss der Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern bei Vertragsbeendigung während Probezeit

Dem Handelsvertreter stehen gegen den Unternehmer Ausgleichs- und/oder Schadensersatzansprüche nach den gesetzlichen Vorschriften auch zu, wenn der Handelsvertretervertrag innerhalb der Probezeit beendet wird.

Hintergrund

Die Klägerin war als Handelsvertreterin für die Beklagte in Frankreich tätig. Zwischen den Parteien war dabei eine Probezeit von zwölf Monaten vereinbart, innerhalb derer jeder Partei ein Kündigungsrecht zustand. Nachdem die Klägerin die im Handelsvertretervertrag gesetzten Verkaufsziele nicht erreichte, machte die Beklagte von diesem Kündigungsrecht Gebrauch und kündigte den Handelsvertretervertrag noch während der Probezeit. Die Klägerin machte daraufhin ihr nach französischem Recht zustehende Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche aufgrund der Beendigung des Handelsvertretervertrags geltend. Deren Erfüllung lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass solche Ansprüche bei einer Vertragsbeendigung während der Probezeit ausgeschlossen seien.

Das Urteil des EuGH vom 19.04.2018 – Az.: C-645/16

Auf Vorlage des französischen Kassationsgerichtshofs entschied der EuGH, dass der Ausschluss derartiger Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche bei Beendigung eines Handelsvertretervertrags in der Probezeit mit der EU-Handelsvertreterrichtlinie nicht vereinbar sei. Aus diesem Grund habe der Handelsvertreter auch bei einer Vertragsbeendigung in der Probezeit – innerhalb der Grenzen des nationalen Rechts – Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche gegen den Unternehmer, wenn der Handelsvertretervertrag ende.

Die Auswirkungen des Urteils des EuGH für die Praxis

Zwar betraf das Urteil des EuGH einen französischen Sachverhalt, es ist aber auch für das deutsche Handelsvertreterrecht von erheblicher Bedeutung – immerhin orientieren sich auch die deutschen Regelungen der §§ 84 ff. HGB eng an der EU-Handelsvertreterrichtlinie und sind damit an dieser zu messen. Aus diesem Grund können auch nach deutschem Recht die nach § 89b HGB bestehenden Ausgleichsansprüche des Handelsvertreters nicht durch die Vereinbarung einer Probezeit und die Vertragsbeendigung innerhalb dieser Probezeit umgangen werden. Das entspricht dem Interesse des Handelsvertreters an einem Ausgleich für Vorteile des Unternehmers aus seiner Tätigkeit (z.B. angeworbene Neukunden) sowie für seine eigenen Kosten und Aufwendungen, wofür es keinen Unterschied macht, ob der Vertrag während oder nach der Probezeit endet.

Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters ist daher nur in den in § 89b Abs. 3 HGB geregelten Fällen (z.B. Kündigung durch den Handelsvertreter selbst, schuldhaftes Verhalten des Handelsvertreters) bzw. nach § 89b Abs. 4 HGB durch eine nach Beendigung des Handelsvertretervertrags  getroffene Regelung ausgeschlossen. In allen anderen Fällen sollte den betroffenen Unternehmern bewusst sein, dass dem Handelsvertreter – auch bei Beendigung des Handelsvertretervertrags in der Probezeit – die gesetzlichen Ausgleichs- und ggf. Schadensersatzansprüche zustehen.

Im Ausland ist bei Handelsvertretern auch nach national zwingendem Recht zu prüfen, ob (i) eine Kündigung zulässig ist und (ii) welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Auch bei Wahl einer anderen Rechtsordnung ergeben sich oft keine Möglichkeiten zur Abweichung von diesen zwingenden Regelungen – so ist es umgekehrt im deutschen Recht auch.

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