Dr. Albert Schröder, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Steuerrechtstephanie von riegen gesellschaftsrecht2.jpg

Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für den Dienstvertrag eines abberufenen Geschäftsführers

Der Geschäftsführer einer GmbH ist nicht befugt, den Dienstvertrag eines bereits abberufenen Geschäftsführers zu ändern. Stattdessen ist bei Fehlen einer abweichenden Satzungsregelung die Gesellschafterversammlung auch noch für die Änderung des Dienstvertrags eines abberufenen Geschäftsführers zuständig, solange sich das ursprüngliche Geschäftsführerdienstverhältnis nicht in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis umgewandelt hat.

Hintergrund

Die Gesellschafter der beklagten GmbH hatten ihren Gesellschafter-Geschäftsführer abberufen, ohne zugleich das Anstellungsverhältnis zu kündigen. Erst rund ein halbes Jahr später vereinbarten die Gesellschafter mit dem ehemaligen Geschäftsführer die Einstellung seiner Vergütungszahlung. Dennoch klagte er auf Zahlung von Vergütung aus seinem Dienstvertrag. Damit war er zunächst erfolgreich, denn nach Ansicht des LG Leipzig und des OLG Dresden war nicht die Gesellschafterversammlung, sondern der amtierende Geschäftsführer für die Vertragsänderung zuständig, so dass der Dienstvertrag unverändert wirksam war. Hiergegen legte die beklagte GmbH Revision ein.

Das Urteil des BGH vom 03.07.2018, Az. II ZR 452/17

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg, der BGH hob das dem Antrag des Klägers stattgebende Urteil auf. Der BGH beruft sich auf seine ständige Rechtsprechung, nach der bei fehlender abweichender Satzungsbestimmung die Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG für die Änderung des Geschäftsführerdienstvertrags zuständig ist (sog. Annexkompetenz). Dies gelte auch bei einer Abberufung für den Dienstvertrag des ausgeschiedenen Geschäftsführers. Eine Änderung des Dienstvertrags falle erst dann unter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des amtierenden Geschäftsführers, wenn sich das ursprüngliche Dienstverhältnis nach der Abberufung in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis umgewandelt habe. Erst dann besteht nicht mehr die Gefahr, dass der die Kündigung aussprechende Geschäftsführer die Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung einengen oder unterlaufen könne. Ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Abberufung und der Beendigung des Dienstvertrags sei nicht erforderlich.

Im zu entscheidenden Fall hätten die Parteien den Vertrag nicht von vorneherein als gewöhnlichen Anstellungsvertrag geschlossen, sondern ausdrücklich die Geschäftsführertätigkeit vereinbart. Daher sei die Gesellschafterversammlung auch sechs Monate nach der Abberufung des Geschäftsführers noch zuständig gewesen.

Anmerkung

Das Urteil des BGH ist nicht überraschend. Die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung besteht nicht nur für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer (§ 46 Nr. 5 GmbHG), sondern auch für die Ausgestaltung ihres Anstellungsverhältnisses. Diese sog. Annexkompetenz der Gesellschafterversammlung ist umfassend und betrifft alle Angelegenheiten in Zusammenhang mit dem Abschluss sowie der Änderung und Beendigung des Geschäftsführerdienstvertrags. Die umfassende Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung trägt der Tatsache Rechnung, dass die Entscheidung der Gesellschafter über die Organstellung des Geschäftsführers regelmäßig in einem engen Zusammenhang mit den Anstellungsbedingungen und insbesondere der Vergütung steht. Außerdem schützt die Kompetenzzuweisung an die Gesellschafter vor kollegialer Rücksichtnahme oder auch konkurrierender Härte durch den oder die aktuellen Geschäftsführer. Erst wenn der ehemalige Geschäftsführer nach seiner Abberufung als Angestellter der GmbH weiterarbeitet und sich sein Dienstverhältnis dadurch in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis wandelt, ist eine Kompetenzverlagerung für Vertragsänderungen von der Gesellschafterebene zu dem amtierenden Geschäftsführer denkbar.

Schließlich stellt sich die Zuständigkeitsfrage auch im anschließenden Rechtsstreit: wer vertritt die GmbH im Prozess gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer? Hat die Gesellschaft Prozesse gegen ihre Geschäftsführer zu führen, kann die Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG durch Gesellschafterbeschluss einen sog. besonderen Vertreter für die Vertretung der GmbH bestimmen. Das soll die unvoreingenommene Prozessführung für die Gesellschaft in Rechtsstreitigkeiten sicherstellen, in denen die eigentlich zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Geschäftsführer womöglich befangen sind. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH auch für Prozesse mit ausgeschiedenen Geschäftsführern, also wenn sich ein Geschäftsführer gegen seine Abberufung und/oder die Kündigung seines Dienstvertrags wendet und seine Geschäftsführervergütung einklagt (Beschl. v. 02.02.2016 – II ZB 2/15). Macht die Gesellschafterversammlung von dieser Befugnis jedoch keinen Gebrauch, wird die GmbH – vorbehaltlich einer anderweitigen Satzungsregelung – auch im Prozess mit einem gegenwärtigen oder ausgeschiedenen Geschäftsführer durch einen oder mehrere bereits zuvor oder neu bestellte (weitere) Geschäftsführer vertreten (BGH, Beschl. v. 22.03.2016 – II ZR 253/15).

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