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Gesellschaftsrecht: Sitzverlegung einer aufgelösten GmbH

Der Sitz einer aufgelösten GmbH kann nur verlegt werden, wenn dies nicht dem Wesen der auf Abwicklung gerichteten Liquidation widerspricht. Die Sitzverlegung ist daher unzulässig, wenn sie den Gesellschaftsgläubigern das Auffinden der Gesellschaft erschwert.

Der Hintergrund: Sitzverlegung im Liquidationsverfahren

Eine GmbH war durch Gesellschafterbeschluss aufgelöst und ihre Auflösung in das Handelsregister eingetragen worden. Während des Liquidationsverfahrens beschloss die Gesellschafterversammlung die Sitzverlegung der Gesellschaft von Frankfurt nach Berlin sowie die Änderung der Geschäftsanschrift. Beides wurde vom Liquidator zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Das für die Eintragung zuständige Amtsgericht wies den Eintragungsantrag jedoch zurück.

Der Beschluss des KG Berlin vom 24.04.2018, Az. 22 W 63/17

Die Beschwerde der Gesellschaft gegen die Zurückweisung blieb ohne Erfolg. Das KG Berlin war der Auffassung, dass eine Sitzverlegung im Liquidationsverfahren nur zulässig sei, wenn dies nicht dem Wesen der auf Abwicklung gerichteten Liquidation widerspreche. Unzulässig sei eine Sitzverlegung nach der Auflösung der Gesellschaft deswegen dann, wenn sie den Gläubigern der Gesellschaft das Auffinden der Gesellschaft erschwere.

Erfordernis eines rechtfertigenden Grundes für die Sitzverlegung

Der Beschluss des KG Berlin befasst sich im Kern damit, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen im Liquidationsverfahren einer GmbH noch Satzungsänderungen (z.B. eine Sitzverlegung) wirksam beschlossen werden können. Vom Grundsatz her sind Satzungsänderungen auch im Stadium der Liquidation nicht ausgeschlossen. Sie dürfen aber dem Zweck des Liquidationsverfahrens nicht widersprechen (Umsetzung des Gesellschaftsvermögens in Geld, Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger, Schlussverteilung an die Gesellschafter).

Die Sitzverlegung im vom KG Berlin entschiedenen Fall sah diese allerdings als unzulässig an und begründete dies damit, dass es den Gesellschaftsgläubigern durch die Sitzverlegung (und der damit einhergehenden geänderten Zuständigkeit eines neuen Registergerichts und der Vergabe einer neuen Registernummer) erschwert werde, die Gesellschaft zu finden. Dies widerspreche gerade dem Zweck des Liquidationsverfahrens. Dieses Argument ist zumindest für die Fälle, in denen es durch die Sitzverlegung zur Änderung der Zuständigkeiten kommt, einleuchtend – denn um die Gesellschaft in den Eintragungen eines anderen Registergerichts zu finden, kann durchaus eine mit einem gewissen Aufwand verbundene Recherche erforderlich sein. Wenn eine Sitzverlegung allerdings innerhalb des gleichen Registerbezirks erfolgt, bestehen die vom KG Berlin angeführten Risiken gerade nicht. Dann stellt sich die Frage: Ist eine solche stets möglich?

Das KG Berlin lässt dies offen. In seinem Beschluss kommt aber zum Ausdruck, dass das Gericht die Zulässigkeit von Satzungsänderungen während des laufenden Liquidationsverfahrens nur anzunehmen scheint, wenn es für diese einen sachlichen und im Rahmen des mit dem Liquidationsverfahren verfolgten Zwecks liegenden Grund gibt (das KG Berlin behandelt dies unter dem Stichwort „Vorbehalt der Zweckmäßigkeit“). Vorsorglich sollten Satzungsänderungen bei in Liquidation befindlichen GmbHs daher nur beschlossen werden, wenn es für diese einen rechtfertigenden Grund gibt. Das KG Berlin führt selbst verschiedene Beispiele an, so z.B. Kapitalerhöhungen zur ausreichenden Befriedigung der Gläubiger oder eine Änderung der Vertretungsbefugnisse der Liquidatoren zur Beschleunigung der Abwicklung. Sitzverlegungen dürften vor dem Hintergrund des Beschlusses des KG Berlin nur selten und ohnehin nur innerhalb desselben Registergerichtsbezirks zulässig sein. Gegebenenfalls lassen sich die mit einer Sitzverlegung verfolgten Ziele (z.B. die Erreichbarkeit an einem anderen Ort, an dem beispielsweise der Liquidator ansässig ist) aber ohnehin auf leichterem Wege, nämlich über eine schlichte Änderung der Geschäftsanschrift, erreichen. Diese scheint das Gericht nämlich ohne Begrenzung auf eine Zweckmäßigkeitskontrolle zulassen zu wollen.

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