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Keine nachträglichen Anschaffungskosten bei Eigenkapitalersatz

Die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten wegen eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen nach § 17 EStG ist wegen der Einführung des MoMiG nicht mehr anwendbar.

Hintergrund: Eigenkapitalersetzende Bürgschaft eines späteren Gesellschafters

Der Kläger war zunächst Angestellter einer GmbH. 2010 übernahm er sämtliche Geschäftsanteile an der GmbH und ist seither deren alleiniger Gesellschafter. Noch als Angestellter der GmbH hatte der Kläger sich für Darlehen der GmbH verbürgt. Nachdem 2011 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse abgelehnt worden und der Kläger (ohne Regressmöglichkeit bei der GmbH) aus den Bürgschaften in Anspruch genommen worden war, machte der Kläger die Zahlungen aufgrund der Bürgschaften in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 als nachträgliche Anschaffungskosten geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung dieser Aufwendungen jedoch ab. Daraufhin klagte der Kläger vor dem FG Düsseldorf, welches die Zahlungen zu seinen Gunsten als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigte, weil die Übernahme der Bürgschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst und damit eigenkapitalersetzend sei. Das Finanzamt legte dagegen Revision ein.

Eigenkapitalersatz nicht maßgeblich für nachträgliche Anschaffungskosten

Der BFH stellte klar, dass nach der Einführung des MoMiG für die Frage nach nachträglichen Anschaffungskosten nicht mehr – wie bisher – maßgeblich ist, ob Darlehen oder Bürgschaften eines Gesellschafters eigenkapitalersetzend sind. Stattdessen kommt es auf den handelsrechtlichen Begriff der Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 HGB) an. Unter diesen sind nur Aufwendungen des Gesellschafters zu fassen, die nach handels- oder bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen. Hierzu zählten Nachschüsse, Zuzahlungen in die Kapitalrücklage oder Verzicht auf werthaltige Forderungen. Fremdkapitalhilfen von Gesellschaftern sind nur dann ausnahmsweise nachträgliche Anschaffungskosten, wenn sie mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar sind, z.B. bei Vereinbarung eines Rangrücktritts iSd § 5 Abs. 2a EStG.

Das war im Streitfall zwar nicht gegeben. Aus Vertrauensschutzgründen sind jedoch zugunsten des Klägers die bisher geltenden Rechtsprechungsgrundsätze anzuwenden. Auf deren Basis kam der BFH letztlich zu dem Ergebnis, dass die Bürgschaft des Klägers durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und mit Blick auf die damalige Krise der Gesellschaft auch eigenkapitalersetzend gewesen sei – in diesem Fall seien daher die nachträglichen Anschaffungskosten wegen der Bürgschaftsinanspruchnahme anzuerkennen.

Auswirkungen für die Praxis: Eigenkapital statt Fremdkapital?

Der BFH schafft – allerdings wieder einmal zu Lasten der Steuerpflichtigen – Klarheit, wo seit dem MoMiG Unsicherheit bestand: nach der Abschaffung des Eigenkapitalrecht hat eine Einordnung als eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe auch steuerlich keine Bedeutung mehr. Denn die bisherigen steuerlichen Vorzüge für Gesellschafter, die eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen gewährt hatten, beruhten v.a. darauf, dass ihre Finanzierung einer Kapitalbindung unterworfen wurde, die es seit dem MoMiG und der nur noch insolvenzrechtlichen Regelung für Gesellschafterfinanzierungen so nicht mehr gibt.

Für die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch ihre Gesellschafter ist die Entscheidung des BFH äußerst bedeutsam. Soweit bei Misslingen einer Sanierung Einzahlungen von Gesellschaftern als nachträgliche Anschaffungskosten steuerlich berücksichtigt werden sollen, müssen nun die vom BFH aufgestellten Voraussetzungen erfüllt werden. Das bedeutet, dass die Aufwendungen des Gesellschafters zu einer Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen müssen (als Beispiele nennt der BFH u.a. Nachschüsse nach §§ 26 ff. GmbHG, Einzahlungen in die Kapitalrücklage oder den Verzicht auf werthaltige Forderungen des Gesellschafters). Oder die Finanzierungshilfe des Gesellschafters muss mit Eigenkapital vergleichbar und einem entsprechenden Rangrücktritt iSd § 5 Abs. 2a EStG versehen sein. Dies ist aber der normalerweise gerade vermiedene, zum Wegfall der Verbindlichkeit führende Rangrücktritt, da die Verbindlichkeit nur noch aus künftigen Einnahmen oder Gewinnen zu bedienen ist. Die vom BFH aufgeführten Finanzierungsformen können als bei der Gesellschaft selbst wiederum zu negativen steuerlichen Folgen führen. Gesellschafter müssen sich bei der Gewährung von Finanzierungshilfen darüber im Klaren sein, dass nicht jede Finanzierung steuerlich zu berücksichtigen ist, sondern dass dafür gewisse Voraussetzungen (und zwar strengere als bisher) erfüllt sein müssen. Gesellschaften und Gesellschafter sollten in diesem Zusammenhang die weitere Rechtsprechung des BFH im Blick behalten – dieser hat nämlich angekündigt, sich in kommenden Entscheidungen zu den Einzelheiten der neuen Rechtsprechung zu äußern.

Für Altfälle gelten aus Vertrauensschutzgründen die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung der nachträglichen Anschaffungskosten bei ehemals eigenkapitalersetzenden Darlehen.

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