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Einreichung unrichtiger Gesellschafterlisten entgegen einstweiligen Anordnungen

Eine einstweilige Verfügung, die die Einreichung einer unrichtigen GmbH-Gesellschafterliste zum Handelsregister untersagt, verpflichtet die Gesellschaft, die Einreichung zu verhindern oder eine Korrekturliste einzureichen. Bei Verstoß gegen diese Pflicht ist die Gesellschaft so zu behandeln, als sei die unrichtige Gesellschafterliste nie ins Handelsregister aufgenommen worden.

Hintergrund: Einziehung von Geschäftsanteilen und Einreichung einer dementsprechenden Gesellschafterliste entgegen einer einstweiligen Anordnung

An einer GmbH mit mehreren Gesellschaftern war der Hauptgesellschafter mit ca. 60% beteiligt. Als es zwischen den Gesellschaftern zum Streit kam, wurden die Geschäftsanteile des Hauptgesellschafters eingezogen; dagegen klagte der Hauptgesellschafter. Er beantragte außerdem – mit Erfolg – eine einstweilige Verfügung gegen die GmbH und deren Geschäftsführer, welche die Einreichung einer neuen Gesellschafterliste (auf welcher der Hauptgesellschafter nicht mehr als Gesellschafter geführt wurde) untersagte. Entgegen dieser einstweiligen Verfügung wurde eine Gesellschafterliste, in der der Hauptgesellschafter nicht mehr eingetragen war, beim elektronischen Handelsregister eingereicht und in den Registerordner aufgenommen. In einer darauffolgenden Gesellschafterversammlung der GmbH wurden durch die übrigen Gesellschafter der GmbH verschiedene Gesellschafterbeschlüsse gefasst. Der Hauptgesellschafter war zu dieser Gesellschafterversammlung nicht geladen worden.

Das Urteil des KG Berlin (Az. 23 U 67/15): Keine treuwidrige Berufung auf eine Gesellschafterliste, die einer einstweiligen Verfügung widerspricht

Das Kammergericht Berlin stellte mit seinem Urteil vom 09.11.2017 klar, dass der nicht geladene Hauptgesellschafter am Gesellschafterbeschluss hätte beteiligt und zur Gesellschafterversammlung hätte geladen werden müssen. Grundsätzlich gelte nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gegenüber der Gesellschaft zwar nur derjenige als Gesellschafter, der in die im Handelsregister hinterlegte Gesellschafterliste eingetragen sei (und das war der Hauptgesellschafter zum Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung nicht mehr). Davon sei im vorliegenden Fall aber eine Ausnahme zu machen, weil es der GmbH aufgrund der einstweiligen Verfügung rechtskräftig untersagt gewesen sei, eine neue Gesellschafterliste (in welcher der Hauptgesellschafter nicht mehr als Gesellschafter eingetragen war) beim Handelsregister einzureichen. Damit sei sie auch verpflichtet gewesen, die Einreichung einer solchen Gesellschafterliste durch den Notar zu verhindern bzw. eine Korrekturliste einzureichen. Weil die GmbH diese Pflicht verletzt habe, dürfe sie sich nicht auf die unrichtige Gesellschafterliste berufen.

Die Auswirkungen des Urteils des KG Berlin für die Praxis

Wenn die Geschäftsanteile eines Gesellschafters eingezogen werden, kann er sich mit einer Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage gegen den Einziehungsbeschluss wehren. Da eine solche Klage meist einige Zeit in Anspruch nimmt, besteht für den Gesellschafter die Gefahr, dass währenddessen eine aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht wird, in welcher er nicht mehr als Gesellschafter ausgewiesen ist. Gegen die daraus resultierende Gefahr eines gutgläubigen (Weg-)Erwerbs seiner Anteile durch einen Dritten kann sich der Gesellschafter zwar durch Zuordnung eines Widerspruchs zur unrichtigen, hinterlegten Gesellschafterliste wehren. Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt er – mangels Eintragung in die Gesellschafterliste – nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG aber trotzdem nicht als Gesellschafter und kann z.B. weder Stimm- noch sonstige Mitwirkungsrechte ausüben. Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, sich schon vor Hinterlegung einer aktualisierten (und ggf. unrichtigen) Gesellschafterliste gegen diese zu wehren und der Gesellschaft bzw. deren Geschäftsführern per einstweiliger Verfügung die Einreichung einer solchen Gesellschafterliste zu untersagen (zumindest bis zur Klärung, ob die Einziehung wirksam war oder nicht).

Das KG Berlin stellt klar, dass solche einstweiligen Verfügungen die betroffenen GmbHs und deren Geschäftsführer in die Pflicht nehmen: wenn ihnen durch einstweilige Verfügung die Einreichung einer bestimmten geänderten Gesellschafterliste untersagt wird, dürfen sie keine solche Liste einreichen bzw. die Einreichung einer solchen Liste verhindern. Wenn ihnen das nicht gelingt, müsse sie eine korrigierte Liste mit dem bisherigen Gesellschafterbestand einreichen. Kommen sie diesen Pflichten nicht nach, müssen sie sich so behandeln lassen, als sei die aktualisierte und verbotswidrig eingereichte Gesellschafterliste nie in das Handelsregister aufgenommen worden. Das bedeutet, dass sie die ausgeschlossenen Gesellschafter, die ihre Stellung durch einstweilige Verfügung gesichert haben, an Gesellschafterbeschlüssen weiter beteiligen müssen, um die Nichtigkeit von Beschlüssen zu verhindern.

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