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Auflösung einer Publikums-GbR vor Wirksamkeit der Kündigung eines Gesellschafters

Kündigt der Gesellschafter einer Publikums-GbR seine Mitgliedschaft an dieser und wird vor Wirksamkeit dieser Kündigung die Auflösung der Gesellschaft beschlossen, erhält er nur seinen Anteil am Auseinandersetzungsguthaben, nicht aber die für den Fall der Kündigung vorgesehene Abfindung.

Hintergrund

Die Klägerinnen waren als Gesellschafter an der Beklagten, einer Publikumsgesellschaft bürgerlichen Rechts, beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten ließ eine ordentliche Kündigung der Mitgliedschaft an der Beklagten mit einer Frist von 6 Monaten auf das Jahresende zu. Für den Fall einer Kündigung sah der Gesellschaftsvertrag zudem vor, dass die Beklagte von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt werde, wenn diese nicht binnen 3 Monaten etwas anderes beschlössen. Unabhängig davon regelte der Gesellschaftsvertrag die jederzeitige Möglichkeit, die Beklagte durch einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss aufzulösen.

Die Klägerinnen kündigten ihre Mitgliedschaft an der Beklagten fristgerecht zum Ablauf des 31.12.2013. Noch im gleichen Jahr, jedoch nach Ablauf der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen 3-Monats-Frist, beschlossen die Gesellschafter der Beklagten die Auflösung der Gesellschaft.

Die Klägerinnen verlangten in der Folge die Zahlung der im Gesellschaftsvertrag für den Fall der ordentlichen Kündigung vorgesehenen Abfindung. Die Beklagte verweigerte dies unter Hinweis darauf, dass die Klägerinnen Mitglieder der Liquidationsgemeinschaft seien und ihnen als solche nur ein – unter der begehrten Abfindung liegender – Anteil am Liquidationserlös zustehe. Die in erster Instanz erfolgreiche Zahlungsklage der Klägerinnen wurde durch das OLG Dresden abgewiesen.

Das Urteil des BGH vom 06.02.2018 – Az.: II ZR 1/16

Die gegen die Abweisung in der zweiten Instanz gerichteten Revisionen der Klägerinnen blieben ohne Erfolg. Der BGH stellte klar, dass den Klägerinnen keine gesonderte Abfindungszahlung zustünde, sondern diese – wie auch die übrigen Gesellschafter der Beklagten – als Teil der Liquidationsgemeinschaft an den Liquidationserlösen zu beteiligen seien. Er begründete dies unter anderem damit, dass mit der Auflösung der Beklagten – auch wenn diese über 3 Monate nach der Kündigung durch die Klägerinnen durch Gesellschafterbeschluss mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen worden sei – die Ausscheidenswirkung der Kündigung und damit auch der daraus resultierende Abfindungsanspruch entfallen seien.

Die Auswirkungen des Urteils des BGH für die Praxis

Die Entscheidung des BGH für die Gesellschafter von Publikumsgesellschaften bürgerlichen Rechts ebenso wie für die Gesellschaften selbst von hoher Relevanz. Diese sollten in Ausscheidenskonstellationen berücksichtigen, dass eine ordentliche Kündigung von einem Auflösungsbeschluss zeitlich „überholt“ werden kann. In solchen Fällen bleibt der kündigende Gesellschafter Teil der Liquidationsgemeinschaft und erhält als solcher nur seinen Anteil am Liquidationserlös statt der Abfindung für den Fall der Kündigung. Dies kann sich – je nachdem, ob die Abfindung für den Fall der Kündigung höher oder niedriger ist als der Anteil am Liquidationserlös – sowohl zugunsten als auch zulasten des Gesellschafters auswirken.

Vor diesem Hintergrund zeigt sich erneut, welch erhebliche Bedeutung einer durchdachten Gestaltung des Gesellschaftsvertrags zukommt. Dies gilt nicht nur für Publikumsgesellschaften – auch wenn sich das Urteil des BGH ausdrücklich nur auf diese bezieht. Denn auch bei anderen Personengesellschaften kann die Kündigung eines Gesellschafters auf einen bestimmten Zeitpunkt bei gleichzeitiger Fortsetzung der Gesellschaft (für welche es bei der GbR freilich einer entsprechenden Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag bedarf) durch einen späteren Auflösungsbeschluss überholt werden. Angesichts des aktuellen BGH-Urteils dürfte sich auch für diese Fälle die Frage stellen, ob der Gesellschafter die für den Fall der Kündigung vorgesehene Abfindung oder nur seinen Anteil am Liquidationserlös erhält. Bis zu einer gerichtlichen Klärung dieser Frage auch für Nicht-Personengesellschaften sollten diese Fälle ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag geregelt werden.

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