Prof. Dr. Tobias Lenz

Die Reform des kaufrechtlichen Sachmängelhaftungsrechts mit Wirkung zum 01.01.2018

Die gewählte Bezeichnung für die Reform

Das Gesetz zur „Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung…“ vom 28.04.2017 befasst sich in erster Linie mit Änderungen des bisher geltenden Werkvertragsrechts und der Stellung von Werkunternehmern. Ausweislich des Referentenentwurfs ging es dabei insbesondere um Werkunternehmer, die etwaiges mangelhaftes Baumaterial zugekauft und anschließend verbaut haben. Dessen – bis zur Reform – „schlechte“ Position sollte optimiert werden. Untergeordnet sollte – in diesem Zusammenhang – dann zugleich das Recht der kaufrechtlichen Mängelhaftung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – die im Jahre 2011 zu radikalen Einschnitten geführt hat – angepasst werden. Dies führte zugleich zu durchaus relevanten Änderungen im Kaufrecht. Das erklärt zunächst aber einmal das Schwergewicht der Reform und erläutert auch die vom Gesetzgeber gewählte Bezeichnung des Gesetzes als „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts…“.

Hintergründe für die Änderungen

Im Wesentlichen hat der Gesetzgeber im Kaufrecht zwei – allerdings grundlegende – Normen, nämlich § 439 und § 475 BGB, geändert. Die Änderungen erscheinen im Kontext bauvertraglicher Drittbeziehungen sachgerecht, bilden aber im typischen und oft vorkommenden Zwei-Personen-Verhältnis nicht immer die Interessenlage der Parteien ab. Der „Systemwechsel“ verursacht - bedingt durch die reine Aufwendungsersatzlösung - unnötig hohe Kosten für den Verkäufer und unnötigen Aufwand beim Käufer.

Bevor auf Einzelheiten eingegangen werden kann, soll – ganz kurz - an die insofern wesentliche Entscheidung  des Europäischen Gerichtshofs (im folgenden „EuGH“) aus dem Jahre 2011 erinnert werden: Der EuGH entschied, dass der Verkäufer einer beweglichen Sache (gemeint sind z.B. Fliesen und/oder Parkettstäbe) im Rahmen der sog. Nacherfüllung (also Neulieferung und/oder Nachbesserung) gegenüber dem Verbraucher (also dem Privatmann gegenüber), und dies war neu, verpflichtet sein kann, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beide Maßnahmen zu tragen. Dies galt nach der bisherigen Rechtsprechung in Deutschland nicht und – sogar klarstellend hatte das höchste deutsche Gericht, der Bundesgerichtshof, entschieden, - dass jedenfalls für den Kaufvertrag zwischen Unternehmern (also im B2B Geschäft) dies (wiederum) keine Geltung hätte (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2012 , Az. VIII ZR 226/11; sowie Urteil vom 16.04.2013, Az. VIII ZR 375/11; sowie Urteil vom 02.04.2014, Az. VIII ZR 46/13). Dies bedeutete für einen Werkunternehmer, der mangelhaftes Baumaterial gekauft und dieses bei Dritten verbaut hat, dass er diesem Dritten zwar aus Vertrag heraus zum Ausbau des mangelbehafteten und zum Wiedereinbau von mangelfreiem Baumaterial verpflichtet ist, er aber seinerseits vom Verkäufer der Materialien lediglich das Material neu beziehen, aber nicht die Kosten für den Aus- und (Wieder-)Einbau erstattet verlangen konnte. Das war für ihn ein ganz erhebliches Kostenrisiko, blieb er doch auf einem erheblichen Teil seiner Kosten – sieht man von Fällen eines schuldhaften Verhaltens des Verkäufers oder von vertraglichen Überwälzungen auf den Zulieferer im Vorfeld ab - sitzen.

Dies hat der Gesetzgeber nun geändert. Die Änderungen sind am 01.01.2018 in Kraft getreten. Im Einzelnen zu den Änderungen der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung:

Mit der Neufassung des § 439 Abs. 3 BGB kommt der Gesetzgeber zum einen dem EU-Gebot zur Umsetzungstransparenz nach; der Sache nach weicht der Gesetzgeber von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Aus- und Einbau ab, und dies in dreifacher Hinsicht:

  • Die Neuregelung gilt nunmehr für sämtliche Kaufverträge, gleich, ob ein Verbraucher beteiligt ist;
  • Neben dem „Einbau“ (von Materialien wie z.B. Fliesen) erfasst die Neuregelung auch das „Anbringen der mangelhaften Sache“ an einer anderen Sache. Beispiele für das Anbringen: Dachrinnen und Leuchten;
  • Und entscheidend: Der Geschädigte hat nunmehr (anders war dies noch im Regierungsentwurf geregelt, wurde dann aber auf Empfehlung des Rechtsausschusses geändert) nicht mehr das Recht, Aus- und Einbau zu verlangen, sondern (nur noch) einen Anspruch, die erforderlichen Aufwendungen (dafür) vom Verkäufer zu erhalten. Einzelheiten dazu sind aber unter Juristen schon wieder umstritten. Die Änderung hilft jedem gewerblichen Einkäufer und führt zu erheblichen Klarstellungen, andererseits aber auch zu ganz erheblichen Mehrbelastungen im Einzelfall, kann doch der Zulieferer nicht mehr vortragen, der Austausch könne von ihm wesentlich kostengünstiger vorgenommen werden.

Weitere Änderungen betreffen die Einrede des Verkäufers (aber nur beim Verbrauchsgüterkauf, also einem Vertrag, bei dem auf der einen Seite ein Verbraucher und auf der anderen Seite ein Unternehmer steht) in Konstellationen der sog. absoluten Unverhältnismäßigkeit. Der Verkäufer konnte (und kann auch künftig) die Nacherfüllung unter bestimmten Umständen verweigern. Bei der Fall-Gruppe der „absoluten Unverhältnismäßigkeit“, - gemeint sind damit Fälle, in denen die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung oder die einzig mögliche Art der Nacherfüllung für sich allein völlig unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht - konnte der Verkäufer nach deutschem Recht die Nacherfüllung gänzlich verweigern. Der EuGH hatte allerdings (zu Ungunsten der Verkäufer) diese - gesetzlich vorgesehene - Einrede bereits im Jahre 2011 eingeschränkt (EuGH, NJW 2011, 2269). Die Beschränkung ergibt sich nun explizit aus den Neuregelungen (§ 475 Abs. 4 BGB neue Fassung): Der Verkäufer kann die Nacherfüllung nicht (mehr abschließend) verweigern, aber die Nacherfüllung bei Unverhältnismäßigkeit wegen der Höhe der Aufwendungen auf einen – wie auch immer gearteten – „angemessenen Betrag“ beschränken. Einzelheiten sind auch insoweit wieder umstritten. Wie die Höhe konkret zu errechnen ist, bleibt leider unklar. Im Gesetz steht dazu lediglich, dass bei der Bemessung des Betrages „insbesondere“ der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen sind. Bei Vorliegen eines ästhetischen Mangels könnte es daher denkbar sein, dass nur ein Kostenbetrag angemessen wäre, der unter dem Wert der ursprünglichen Kaufsache liegt (dazu etwa BGH, Urteil vom 21.12.2011, Az. VIII ZR 70/08).

Zudem erhält der Verbraucher nunmehr einen sog. Vorschussanspruch für Aufwendungen, die ihm im Rahmen der Nacherfüllung entstehen (§ 475 Abs. 6 BGB neue Fassung). Vor kurzem hatte der BGH bereits einen solchen Anspruch anerkannt (BGH NJW 2017, 2758 Rn. 29 sowie BGH, Urteil vom 13.04.2011, Az. VIII ZR 220/10, NJW 2011, 2278, Rn. 37). Dieser ist nicht auf Aus- und Einbaufälle beschränkt. Er wird relevant für die Kosten des Transports zum Verkäufer. Bagatellaufwendungen soll der Käufer dennoch tragen (müssen). Der Anspruch besteht bereits vor der Durchführung der Nacherfüllungsmaßnahmen.

Maßgeblich zu beachten sind ferner die Änderungen zum Verkäuferregress (bisher §§ 478, 479 BGB alte Fassung): Der Gesetzgeber hat den Kernbestand der bisherigen Regressregelungen – zu Recht – in das allgemeine Kaufrecht überführt. § 445 a Abs. 1 BGB (nF) enthält einen selbstständigen Anspruch, § 445 a Abs. 2 BGB einen unselbstständigen. Danach hat der Verkäufer beim Verkauf einer neu hergestellten Sache gegenüber demjenigen, der ihm diese verkauft hat (der sog. Lieferant), einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen,  die er im Verhältnis zu seinem Käufer zu tragen hatte. Die durch die Mängel entstandenen Kosten sollen also möglichst bis zu dem Unternehmer durchgereicht werden, in dessen Bereich der Mangel entstanden ist (§ 445 a Abs. 3 BGB).

Praxisrelevante Konsequenzen

Zu den konkreten Auswirkungen für die Einkaufs-Praxis: Beginnen wir bei den Ansprüchen des (End-) Verbrauchers gegenüber dem Verkäufer (Unternehmer/Händler/Handwerker). Denn daraus wird ja die Regresskette gespeist:

  • Der Verbraucher kommt mit dem (neu gesetzlich implementierten) Vorschussanspruch wegen des Ankaufs einer neu hergestellten Sache. Dieser ist vom Unternehmer dann zu leisten. Dann kann der in Anspruch genommene Unternehmer bei seinem Zulieferanten regressieren. Bei gebrauchten Produkten hat der Verbraucher zwar einen Vorschussanspruch, aber der Unternehmer keinen gesetzlichen „Vorschussweiterleitungsanspruch“. Also wäre ein solcher vertraglicher Regressanspruch in den Vertrag zu dessen Zulieferanten aufzunehmen und es ist damit zu rechnen, dass dies in der Praxis versucht werden wird.
  • Vereinbarung einer Aus- und Einbaupflicht außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs: Fraglich ist, ob eine Aus- und Einbaupflicht des Verkäufers vertraglich vereinbart werden kann, statt des gesetzlich verankerten Aufwendungsersatzanspruchs, da dies billiger für ihn sein könnte im Regelfall. Dies wird – auch - im unternehmerischen Verkehr  (erst recht im Verkehr gegenüber dem Verbraucher, vgl. dazu § 309 Nr. 8 Buchst. B cc sowie § 476 Abs. 1  BGB nF) über § 307 BGB für unwirksam gehalten (u.a. Höpfner/Fallmann, NJW 2017, 3745 ff.). Dass dies in der Praxis ggfs. aber anders gesehen wird, erscheint naheliegend und die Rechtsprechungsentwicklung wird aufmerksam zu beobachten sein.
  • Für Einkäufer gelten also neue Regelungen, aber – von dem zuvor Gesagten abgesehen – gilt es nicht, die AGB umzuarbeiten oder gänzlich neu zu formulieren. Es müssen keine expliziten Änderungen im Klauselwerk bei Einkäufern erfolgen. Sollten Änderungen konkret gewünscht sein – etwa die Einführung vertraglicher Rückgriffsansprüche, die  von der anderen Seite verwendet würden, wären diese Änderungen im Zweifel auch unwirksam (§§ 307, 478 Abs. 2 BGB). Denn: Die Sonderbestimmungen für den Rückgriff des Unternehmers finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.
  • Klarstellend hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass von den Änderungen die Regel des § 377 HGB, also die Untersuchungs- und Rügepflicht, unberührt bleibt (§ 445 a Abs. 4 BGB nF).
  • Im Hinblick auf bereits abgeschlossene Versicherungsverträge (Betriebshaftpflicht- und insbesondere Produkthaftpflichtversicherungen) sollten Einkäufer auf die gesetzlichen Änderungen achten und mit ihrem Industrieversicherungsmakler dringend klären, ob und inwieweit die jetzt weitgehend auch unverschuldet schon eingreifende Haftung (z.B. Aufwendungsersatz) auch vom Versicherer gedeckt werden kann, ähnlich wie Mangelbeseitigungsnebenkosten schon bisher.

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