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Korruption im Gesundheitswesen – zu viel Lärm um nichts!

Der Gesundheitsmarkt ist in Aufruhr: Der Gesetzgeber hat eine planwidrige Lücke im bestehenden Recht systematisch geschlossen und Korruption unter Strafe gestellt! Nun endlich auch für niedergelassene Ärzte. Die denkbar heftigste Reaktion sollte in einem beiläufigen, beipflichtenden Kopfnicken bestehen. Stattdessen: Wehgeschrei! Vorträge! Schulungen! Warnungen! Diese Reaktionen zeigen erst, wie wichtig und richtig die Maßnahme des Gesetzgebers war.

Wie die meisten Strafrechtsnormen sind auch die Vorschriften über die Strafbarkeit von Korruption im Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch (StGB) enthalten, in den §§ 299 a und b. Das Strafgesetzbuch enthält einen Kanon essenzieller Verbote und Gebote, die zusammen den über Jahrhunderte auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens fußenden moralischen Kitt unserer Gesellschaft bedeuten. Grabschändung, Brunnenvergiftung, Geheimnisverrat, Mord – all diese Normen zeigen die strafrechtlichen Grenzen des individuellen Freiheitsraums. Der moralische Kompass, der jedem Einzelnen zur Verfügung steht, sollte ihm verlässlich den Weg durch diese Regelungen weisen, auch ohne dass er sie im Wortlaut kennt. Keiner kennt den Mordparagrafen auswendig. Jeder weiß: Morden tut man nicht. Das StGB normiert und fasst diesen Kompass lediglich in Worte. Aber das Wissen, „das tut man nicht“ hat jeder in sich. Oder nur fast jeder?

Das ärztliche Personal im Gesundheitssektor nicht? Oder warum ist das Ächzen so vernehmlich, das das Verbot der Korruption bei ihnen auslöst? Zeigt der moralische Kompass des Arztes nicht nach Moralisch-Nord? Nach übereinstimmender Auffassung der gesellschaftlichen Kräfte ist Korruption dem gedeihlichen Zusammenleben in unserer Gesellschaft abträglich. „Das tut man nicht.“

Als der große Strafsenat des Bundesgerichtshofes am 29. März 2012 in grandioser gedanklicher Präzision die bestehenden Strafnormen auf niedergelassene Kassenärzte für nicht anwendbar erklärte, feierte die in anderen Wirtschaftssektoren, unter anderem auch bei angestellten Klinikärzten, streng verfolgte Korruption dort weiter fröhliche Urständ. Mit den §§ 299 a und b StGB, den zentralen Vorschriften des Antikorruptionsgesetzes, hat der Gesetzgeber diesem Treiben einen Riegel vorgeschoben. Auch für den niedergelassenen Arzt ist – wie in allen anderen Bereichen wirtschaftlichen Lebens – nun Bestechung und Bestechlichkeit strafrechtlich reguliert.

Die Verteilung auf zwei Vorschriften, §§ 299 a und 299 b StGB, zeigt das Eigentümliche des Bestechungsdeliktes: Auf beiden Seiten der Tat stehen Täter. Der eine gewährt einen Vorteil, der andere nimmt einen Vorteil an, beide gemeinsam handeln unlauter. Es fehlt ganz offensichtlich das Opfer. Diese Besonderheit des Bestechungsdeliktes macht seine Aufklärung so schwierig. Bestechlich sein und bestraft werden kann nach § 299 a StGB nicht nur die Ärzteschaft in ihrer Gesamtheit, also angestellte wie niedergelassene Ärzte, sondern darüber hinaus auch Gesundheits- und Krankenpfleger, pharmazeutisch-technische Assistenten sowie Logopäden und Ergotherapeuten.

Bestechen und bestraft werden kann nach § 299 b StGB jedermann.

Korruption zerstört Wettbewerb und damit die Grundlagen unseres Wirtschaftssystems. §§ 299 a und 299 b StGB schützen den freien Wettbewerb, nun auch im Gesundheitssektor. Es irrt, wer meint, durch diese Vorschriften in seiner persönlichen Handlungsfreiheit unzulässig beschränkt zu werden. Wer solches meint, müsste ggf. seinen moralischen Kompass neu justieren. Die Sanktionierung der Korruption, auch niedergelassener Ärzte, sollte eine Selbstverständlichkeit sein und das darum erhobene Getöse zu viel Lärm um nichts.

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