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BAG: Zur Mindestlohnwirksamkeit von Prämien

Das Bundesarbeitsgericht hat am 08.11.2017 (5 AZR 692/16) entschieden, dass Prämien auf den gesetzlichen Mindestlohnanspruch anzurechnen sind, wenn sie dem Entgeltbegriff des Mindestlohngesetzes unterfallen. Dies ist dann der Fall, wenn sie als im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachte Entgeltzahlungen anzusehen sind.

Sachverhalt

Der Kläger ist seit dem 15.02.2010 bei der Beklagten als Kraftfahrer zu einem monatlichen Grundgehalt von brutto 1.605 Euro beschäftigt. In den Monaten Januar sowie März bis September 2015 arbeitete er 9,6 Stunden an 5 Tagen pro Woche. Dabei fielen im Mai und August 21 Arbeitstage, im Juli 23 Arbeitstage und in den übrigen Monaten 22 Arbeitstage an. Neben dem Grundgehalt zahlte die Beklagte an den Kläger eine so genannte „Immerda-Prämie“ von monatlich 95 EUR. Mit dieser Prämie belohnte die Beklagte alle Arbeitnehmer, die durchgehend arbeitsfähig waren und nicht unentschuldigt fehlten. Zusätzlich erhielt der Kläger eine Prämie für Ordnung und Sauberkeit von 50 EUR sowie eine „Leergutprämie“ für den korrekten Umgang mit dem von Kunden zurückgegebenem Leergut in Höhe von weiteren 155 EUR.

Der Kläger vertrat die Ansicht, die Beklagte habe mit Zahlung der insgesamt 1.905 EUR seinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht erfüllt, und nahm die Beklagte auf Zahlung der vermeintlich fehlenden Differenzvergütung in Anspruch. Zur Begründung führte er an, die im Streitzeitraum gezahlten Prämien seien nicht mindestlohnwirksam gewesen. Die Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, die von ihr gezahlten Prämien seien im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachtes Arbeitsentgelt, das den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn gleichermaßen wie das Grundgehalt erfüllt.

Entscheidungsgründe

Nachdem das Arbeitsgericht Halle der Klage stattgegeben hatte, der Kläger in zweiter Instanz aber nur einen Teil des von ihm begehrten Differenzbetrages zugesprochen bekam, blieb seine auf den noch ausstehenden Betrag gerichtete Revision ohne Erfolg. Aus Sicht des 5. Senats des BAG hatte die Beklagte den Mindestlohnanspruch in vollem Umfang erfüllt.

Ein Differenzanspruch gemäß § 3 MiLoG, so die Erfurter Richter, sei vorliegend nicht gegeben. Der Arbeitgeber erfülle dann den Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit - im Streitzeitraum - einem Betrag von 8,50 EUR ergibt. Vorliegend seien sowohl das Grundgehalt als auch die zusätzlich geleisteten Prämien als mindestlohnwirksam anzusehen. Mit Zahlung der „Immerda-Prämie“ sei neben der Anwesenheit auch die Erbringung der Arbeitsleistung honoriert worden. Mit der Prämie für Ordnung und Sauberkeit habe die Beklagte das Sauberhalten des Transportfahrzeuges gewürdigt, das Teil der vom Kläger verrichteten Tätigkeit sei. Die „Leergutprämie“ stelle schließlich eine Gegenleistung für die ordnungsgemäße Abwicklung des von Kunden zurückgebenden Leerguts dar und sei damit ebenfalls an die Erbringung von Arbeitsleistungen durch den Kläger geknüpft.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt, dass nicht nur das Grundgehalt zur Erfüllung des Mindestlohnanspruchs geeignet ist. Auch vom Arbeitgeber gewährte Prämien (hier: für durchgehende Arbeitsfähigkeit, Sauberkeit und Ordnung) können mindestlohnwirksam sein. Dies gilt für alle im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen mit Ausnahme der Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt (z.B. Weihnachts- oder Urlaubsgeld) oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen (z.B. Zuschläge für geleistete Nachtarbeit, § 6 Abs. 5 ArbZG).

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