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Zahl der im Inland Beschäftigten allein maßgeblich für Mitbestimmung im Aufsichtsrat

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass allein die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer darüber entscheidet, ob ein Aufsichtsrat dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) unterfällt; Beschäftigten der ausländischen Tochtergesellschaften sind nicht mitzuzählen (25.05.2018 - Az.: 21 W 32/18).

Sachverhalt

Der Antragsteller ist Aktionär der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin ist eine Aktiengesellschaft, die im Bereich der Arzneimittelproduktion tätig ist. Sie beschäftigte zum 30. September 2017 in Deutschland 931 Arbeitnehmer und unter Berücksichtigung der gemäß § 5 Abs. 1 MitbestG zuzurechnenden Arbeitnehmer von in Deutschland belegenen Tochtergesellschaften 1.192 Arbeitnehmer, während im Fall der Einbeziehung auch der im Ausland belegenen Tochtergesellschaften mehr als 2.000 Arbeitnehmer für die Antragsgegnerin tätig sind. Im Aufsichtsrat der Antragsgegnerin sitzen derzeit 1/3 Arbeitnehmervertreter auf Basis des Drittelbeteiligungsgesetzes (DrittelbG). Der Antragsteller ist der Ansicht, das Mitbestimmungsgesetz komme zur Anwendung, weshalb die Arbeitnehmer paritätisch neben den Anteilseignern mit der Hälfte der Sitze vertreten sein müssten. Daher leitete der Antragsteller ein gerichtliches Statusverfahren nach §§ 98 AktG ein und beantragte, über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gerichtlich zu entscheiden. Das Landgericht wies den Antrag zurück. Dagegen legte der Antragsteller Beschwerde ein.

Entscheidungsgründe

Zum rechtlichen Hintergrund: Entscheidend für den Anteil der im Aufsichtsrat vertretenen Arbeitnehmer ist die Anzahl der Arbeitnehmer. Werden mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigt, ist das MitbestG anwendbar und eine paritätische Besetzung vorgeschrieben. Liegt sie darunter, beläuft sich der Anteil nach den Vorgaben des DrittelbG auf ein Drittel. Die Zahl der Arbeitnehmer der Antragsgegnerin überschreitet hier nur dann die Schwelle von 2000, wenn neben den im Inland beschäftigten Arbeitnehmern auch die in ausländischen Tochtergesellschaften der Antragsgegnerin Beschäftigten berücksichtigt werden.

Das OLG wies die Beschwerde zurück. Die Bildung des Aufsichtsrats bei der Antragsgegnerin sei zutreffend nach den Grundsätzen des DrittelbG erfolgt. Einzig maßgebend sei die Anzahl im Inland beschäftigten Arbeitnehmer. Der Wortlaut des MitbestG spreche zwar allein von Arbeitnehmern, ohne eine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Betrieben vorzunehmen. Das Gesetz nehme aber auf § 5 BetrVG Bezug. Für die betriebliche Mitbestimmung sei seit jeher das Territorialprinzip anerkannt.

Auch die erwähnte Gefahr, dass somit weitere Anreize zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland geschaffen würden, stehe dieser Auslegung nicht entgegen, so das OLG weiter. Die Wertentscheidung des Gesetzgebers für das Prinzip der Mitbestimmung sei wie andere soziale Grundentscheidungen auch häufig mit der theoretischen Gefahr der Abwanderung von Arbeitsplätzen ins Ausland verbunden, richte sich hieran jedoch nicht aus. Entscheidend komme hinzu, dass die Aussage auf der nicht überzeugenden Hypothese fuße, die Standortwahl der Unternehmen werde mitentscheidend von der Frage des vor Ort maßgeblichen Mitbestimmungsregimes geprägt. Bei der Vielzahl der wirtschaftlichen und sozialen Überlegungen, die mit einer Standortwahl verbunden seine, dürfte die Frage der Mitbestimmung allerdings nur eine untergeordnete und mithin nicht bestimmende Rolle spielen.

Schließlich stünden einer Nichtberücksichtigung bei der Zählweise keine europarechtlichen Erwägungen entgegen, da allein das Nichtzählen von Arbeitnehmern im Ausland keine europarechtlich relevanten Rechtsfolgen aufweise. Eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit scheide aus. Die Zählweise wirke sich allgemein auf die Mitbestimmungsintensität der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat aus und treffe damit inländische und ausländische Arbeitnehmer gleichermaßen. Aktives und passives Wahlrecht zum Aufsichtsrat stünden - aus Gründen des Territorialprinzips - allein im Inland beschäftigten Arbeitnehmern zu. Folglich sei es auch sachgerecht, den Umfang der Mitbestimmung an der Anzahl dieser Wahlberechtigten auszurichten. Ebenfalls nicht berührt sei der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des OLG reiht sich in zahlreiche andere Entscheidungen ein und enthält damit keine Überraschung. Einmal mehr hat ein Gericht die schon recht alte Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 01.03.1979 (1 BvR 419/78) zur unternehmerischen Mitbestimmung bestätigt. Auch wenn die Argumente der Umgehung der Mitbestimmung durch Verlagerungen ins Ausland oder Rechtsformänderungen mit der damit verbundenen Kritik unverändert anhalten, zeigt diese Entscheidung erneut, dass die rechtlichen Voraussetzungen solche Konstruktionen (jedenfalls noch) zulassen. Zugleich zeigen viele auch prominente Beispiele, dass weder Investoren noch familiengeführte Unternehmen die Mitbestimmung wirklich scheuen, so dass das Argument der Abwanderung vor diesem Hintergrund möglicherweise ein vorgeschobenes ist.

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