Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Weiterbeschäftigung eines Auszubildenden nach Bestehen der Abschlussprüfung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 20.03.2018 entschieden, dass die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses nach § 21 Abs. 2 BBiG vor Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit durch Bestehen der Abschlussprüfung nur dann eintritt, wenn das Prüfungsverfahren abgeschlossen und dem Auszubildenden das Ergebnis der Prüfung mitgeteilt worden ist. Wenn für das Bestehen der Abschlussprüfung nur noch die erfolgreiche Ablegung einer mündlichen Ergänzungsprüfung in einem einzelnen Prüfungsbereich erforderlich ist, tritt das vorzeitige Ende des Berufsausbildungsverhältnisses mit der verbindlichen Mitteilung des Gesamtergebnisses in diesem Fach ein.

Sachverhalt

Der Kläger stand bei dem Beklagten nach den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) in der Zeit vom 01.09.2011 bis zum 31.08.2014 zunächst in einem Ausbildungsverhältnis. Im Juni und Juli 2014 fanden die Abschlussprüfungen statt. Die Prüfungsergebnisse lagen im August 2014 vor. Der Kläger erreichte in zwei Prüfungsabschnitten lediglich die Note „mangelhaft“ und musste daher aufgrund der für ihn geltenden Prüfungsordnung eine mündliche Ergänzungsprüfung antreten. Diese schloss er am 22.08.2014 erfolgreich ab. Über das Prüfungsergebnis wurde der Kläger noch am selben Tag durch den Prüfungsvorsitzenden unterrichtet.

Am 25.08.2014 bestätigte die Ausbildungsleiterin des Beklagten dem Kläger, dass er in der Zeit vom 01.09.2011 bis einschließlich 29.08.2014 Auszubildender war, sie setzte ihn über das Ende des Ausbildungsverhältnisses mit der Zeugnisausgabe am 29.8.2014 in Kenntnis. Die Ausbildungsleiterin verwendete hierfür einen Briefbogen des Landrats, der neben seinem Stellvertreter für den Abschluss von Berufsausbildungs- und Arbeitsverträgen ausschließlich zuständig ist, und sie unterzeichnete diesen „im Auftrag“.

Im Zeitraum vom 25.08.2014 bis zum 29.08.2014 war der Kläger beim Beklagten tätig und erhielt für diese Zeit Ausbildungsvergütung. Unter dem 29.8.2014 schlossen die Parteien vom 30.08.2014 bis zum 29.08.2015 einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag, den sie am 11.08.2015 bis zum 29.08.2016 sachgrundlos verlängerten.

Der Kläger reichte nach Ablauf der letzten Befristung am 02.09.2016 Klage beim Arbeitsgericht ein und beantragte festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund des Verlängerungsvertrages am 29.08.2016 endete, da der sachgrundlosen Befristung das sog. Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen stehe und das Berufsausbildungsverhältnis schon am 22.08.2014 geendet habe. Aufgrund der Weiterarbeit sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden. Der Beklagte ging hingegen davon aus, dass das Ausbildungsverhältnis erst am 29.08.2014 geendet habe. Er habe erst am 29.08.2014 mit Übergabe des Abschlusszeugnisses und der Niederschrift über die Abschlussprüfung vom 22.08.2014 vom Ergebnis der Prüfung erfahren. Der Beklagte habe den Kläger auch nicht in Kenntnis von der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beschäftigt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten wurde das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision vor dem BAG hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BAG erachtete die Befristungskontrollklage für begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete nach Ansicht des BAG nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 11.08.2015 vereinbarten Befristung zum 29.08.2016. Aufgrund der Beschäftigung des Klägers ab dem 25.08.2014 sei zwischen den Parteien nach § 24 BBiG ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet worden, das der Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegenstehe.

Nach Ansicht des BAG endete das Berufsausbildungsverhältnis der Parteien gem. § 21 Abs. 2 BBiG bereits am 22.08.2014. Dem Auszubildenden sei nach der Ergänzungsprüfung die Gesamtnote in dem geprüften Fach bekannt gegeben worden, so dass die letzte Unklarheit über das Bestehen der Abschlussprüfung beseitigt gewesen sei.

Der Kläger habe danach gem. § 24 BBiG im Zeitraum vom 25.08.2014 bis zum 29.08.2014 weitergearbeitet. Der Beklagte habe auch Kenntnis über die Weiterbeschäftigung und über die Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses gehabt. Es reiche aus, wenn der Ausbildende weiß, dass die vom Auszubildenden erzielten Prüfungsergebnisse zum Bestehen der Abschlussprüfung ausreichen.

Die gesetzliche Fiktion des § 24 BBiG, durch die bei Beschäftigung des Auszubildenden im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als begründet gilt, setzt als subjektives Tatbestandsmerkmal zwar grundsätzlich noch weiter voraus, dass der Ausbildende Kenntnis von der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses und der Weiterbeschäftigung des Auszubildenden habe. Neben dem Ausbildenden selbst bzw. den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den einstellungsberechtigten Personen auch die Mitarbeiter, denen der Ausbildende das Recht zum Abschluss von Arbeitsverträgen übertragen habe.

Das BAG sah die Ausbildungsleiterin im entschiedenen Fall als Botin des Landrats an und erachtete diesen Umstand als ausreichend für die Annahme, dass der Landrat auch Kenntnis von dem erfolgreichen Abschluss der Prüfung zum Zeitpunkt der Weiterbeschäftigung gehabt habe. Aufgrund der Tatsache, dass die Ausbildungsleiterin die Unterrichtung auf einem Briefbogen des Landrats mit „im Auftrag“ unterzeichnete, sei davon auszugehen, dass sie den Kenntnisstand des Landrates weitergegeben habe.

Zudem müsse sich der Beklagte selbst bei der Annahme, dass der Landrat tatsächlich keine Kenntnis über den Ausgang der Abschlussprüfung gehabt habe, aufgrund der herausgehobenen Stellung der Ausbildungsleiterin deren Kenntnis zurechnen lassen. Eine Ausbildungsleiterin befinde sich insofern typischerweise in einer ähnlich selbstständigen Stellung wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter des Ausbildenden. Die Beklagte müsse in einem solchen Fall das Ausbildungswesen so organisieren, das die zeitnahe Übermittlung der Information über das Bestehen von Abschlussprüfungen der Auszubildenden an die einstellungsberechtigten Personen gewährleistet ist, damit diese über eine Übernahme oder Weiterbeschäftigung des Auszubildenden entscheiden können.

Hinweise für die Praxis

Die Ansicht des BAG, die Ausbildungsleiterin habe eine ähnlich selbstständige Stellung wie ein gesetzlicher oder ein rechtsgeschäftlicher Vertreter gehabt, muss in Zukunft beachtet werden. Arbeitgeber müssen zudem sicherstellen, dass die Kenntnis dieser Personen „zeitnah“ an die entscheidungsbefugten Vertreter weitergeleitet wird, am besten unverzüglich.

Die Entscheidung des BAG zeigt deutlich, dass ein Ausbildender sorgfältig und rasch handeln muss, wenn er, wie im entschiedenen Fall, einen Auszubildenden nach vorzeitig bestandener Prüfung sachgrundlos in einem Arbeitsverhältnis befristet weiter beschäftigen will. Ein Ausbildender hat bereits dann Kenntnis vom Bestehen der Prüfung, wenn er weiß, dass eine nur noch abzulegende mündliche Ergänzungsprüfung in einem einzelnen Prüfungsbereich erfolgreich bestanden wurde. Ab Kenntnis darf er einen Auszubildenden nicht mehr, und zwar auch nicht nur kurzfristig, im Ausbildungsverhältnis weiter beschäftigen. Ansonsten wird gesetzlich fingiert, dass das Ausbildungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis übergeleitet wird. Wenn der Ausbildende den Auszubildenden nicht übernehmen will, darf er ihn auf keinen Fall mehr – auch nicht nur kurzfristig – weiter beschäftigen, und er tut gut daran, alle mit der Ausbildung beauftragten Mitarbeiter entsprechend anzuweisen. Will ein Arbeitgeber den Ausgebildeten sachgrundlos befristet in einem Arbeitsverhältnis beschäftigen, so ist auch das nur möglich, wenn er ihn nicht zuvor noch in Kenntnis der bestandenen Prüfung weiter beschäftigt hatte.

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