Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Streikmobilisierung auf Firmenparkplatz

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 20.11.2018 entschieden, dass das Streikrecht die Befugnis einer streikführenden Gewerkschaft umfasst, die zur Arbeitsniederlegung aufgerufenen Arbeitnehmer unmittelbar vor dem Betreten des Betriebes anzusprechen, um sie für die Teilnahme am Streik zu gewinnen. Eine solche Aktion kann – abhängig von den konkreten örtlichen Gegebenheiten – mangels anderer Mobilisierungsmöglichkeiten auch auf einem vom bestreikten Arbeitgeber vorgehaltenen Firmenparkplatz vor dem Betriebsgebäude zulässig sein.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin betreibt in einem außerörtlich gelegenen Gewerbegebiet ein Versand- und Logistikzentrum. Zu dem von ihr gepachteten Gelände gehören ein Betriebsgebäude, das über einen zentralen Eingang zugänglich ist, und ein ca. 28.000 qm großer Parkplatz, welcher zur Nutzung für die überwiegend mit dem Auto zur Arbeit kommenden Mitarbeiter bestimmt ist.

Im September 2015 wurde die Arbeitgeberin an zwei Tagen bestreikt. Die streikführende Gewerkschaft baute an beiden Tagen auf dem Parkplatz vor dem Haupteingang Stehtische und Tonnen auf und postierte dort ihre Vertreter sowie streikende Arbeitnehmer. Diese verteilten Flyer und forderten die zur Arbeit erscheinenden Arbeitnehmer zur Teilnahme am Streik auf. Zu physischen Zugangsbehinderungen kam es nicht. Die Arbeitswilligen mussten und konnten, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hatte, an den in kleinen Gruppen stehenden Streikenden und Beschäftigten der Gewerkschaft hindurchlaufen, um durch Drehkreuze zu dem Betriebsgebäude zu gelangen. Ähnliches wiederholte sich bei einem eintägigen Streik im März 2016.

Mit ihrer Klage hat die Arbeitgeberin die künftige Unterlassung solcher Aktionen verlangt.

Entscheidungsgründe

Während das Arbeitsgericht der Klage noch stattgegeben hatte, hat das Landesarbeitsgericht diese abgewiesen.

Die von der Arbeitgeberin eingelegte Revision blieb vor dem Ersten Senat des BAG ohne Erfolg. Das BAG führt aus, dass im konkreten Fall die Abwägung widerstreitender grundrechtlicher Gewährleistungen auf Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite ergebe, dass die Arbeitgeberin eine kurzzeitige, situative Beeinträchtigung ihres Besitzes hinzunehmen habe. Angesichts der örtlichen Verhältnisse habe die Gewerkschaft nur auf dem Firmenparkplatz vor dem Haupteingang mit den zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmern kommunizieren und im Gespräch versuchen können, auf Arbeitswillige einzuwirken.

Hinweise für die Praxis

Das BAG hat mit der vorliegenden Entscheidung das Verhalten der Gewerkschaft zwar gebilligt, obwohl diese gegen den Willen der Arbeitgeberin auf fremdem Boden Arbeitnehmer zum Streik gewinnen wollte. Obwohl die Entscheidung derzeit nur als Presseerklärung vorliegt, so zeigt diese doch, dass das BAG das Besitzrecht der Arbeitgeberin nur wegen der örtlichen Gegebenheiten und der kurzzeitigen Beeinträchtigung hat zurücktreten lassen, da ansonsten keine Mobilisierungsmöglichkeit für die Gewerkschaft bestanden hätte.

Das BAG hatte die sog. Mobilisierung von Arbeitnehmern auch bereits im Beschluss vom 15.10.2013 angesprochen und festgestellt, dass ein Arbeitgeber nicht verpflichtet sei, die Nutzung eines für dienstliche Zwecke eingerichteten E-Mail Accounts durch die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zu Zwecken des Arbeitskampfs zu dulden, und dass eine derartige Duldungspflicht auch nicht aus Art. 9 III GG zum Schutz der individuellen Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer folge. Die Mobilisierung von Arbeitnehmern zur Streikteilnahme sei vielmehr Aufgabe der jeweiligen Koalition und ihrer Mitglieder, und vom Arbeitgeber könne nicht verlangt werden, hieran durch Bereitstellung eigener Betriebsmittel mitzuwirken. Im vorliegenden Fall war indes eine Mobilisierung ohne die eher als gering einzustufende Beeinträchtigung nicht möglich. Die neue Entscheidung des BAG dürfte deshalb eine Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung darstellen.

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