Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Schadensersatz und Arbeitnehmerhaftung – Beginn einer Ausschlussfrist

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 07.06.2018 in einem Einzelfall entschieden, dass die mit einem Arbeitnehmer vereinbarte Ausschlussfrist bereits zu einem Zeitpunkt zu laufen beginnen kann, zu dem sich der Arbeitgeber als Gläubiger des Schadensersatzanspruch noch entschlossen hat, Klage gegen den unmittelbar schädigenden Kunden zu erheben, mit der er eine vertragswidrig nicht zurückgegebene Sache zurück erlangen will. Etwas anderes folge im Hinblick auf den Fristbeginn für die Ausschlussfrist weder aus § 254 Abs. 2 BGB noch aus § 241 Abs. 2 BGB.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen des Verlusts eines PKW.

Der Beklagte war im Autohaus der Klägerin als Verkäufer beschäftigt. In einer Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag hatten die Parteien vereinbart, dass mit Ausnahme von Provisionsansprüchen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit verfallen, wenn sie nicht vorher gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind.

Im Betrieb der Klägerin bestand die Anweisung, ein Neufahrzeug, das entweder nicht vollständig bezahlt war oder für das keine gesicherte Finanzierung vorlag, nicht an einen Käufer herauszugeben, es sei denn, dass eine Einwilligung der Geschäftsleitung vorlag. Am 19.09.2014 erschien ein Kunde zur Abholung eines von ihm im Mai 2014 bestellten Neuwagens. Der Kunde leistete auf den Kaufpreis eine Anzahlung (ca. 30%) in bar und drängte auf die Überlassung des PKW für das kommende Wochenende. Er sagte zu, den PKW bereits am Montag, den 22.09.2014, wieder zurückzubringen, woraufhin der Beklagte dem Kunden den PKW überließ. Der Kunde brachte den PKW nicht wie besprochen zurück.

Auf eine von der Klägerin im September 2014 erstattete Strafanzeige hin wurden in Italien der Kunde Ende Oktober 2014 festgenommen und der PKW im November 2014 beschlagnahmt. Nach Aufhebung des Haftbefehls und der Beschlagnahme gaben die italienischen Behörden den PKW wieder an den Kunden heraus. Im Februar 2015 nahm die Klägerin Kontakt mit den Anwälten des Kunden auf und verhandelte – letztlich erfolglos – jedenfalls über die Zahlung des Restkaufpreises durch den Kunden. Ferner beauftragte sie eine Detektei mit dem Ziel der Wiederbeschaffung des PKW. Diese teilte der Klägerin im April/Mai 2015 mit, dass der Kunde unter den von der Klägerin angegebenen Anschriften nicht auffindbar sei. Am 20.08.2015 reichte die Klägerin Klage gegen den Kunden beim Landgericht Freiburg ein, deren Zustellung aber scheiterte. Mit Schreiben vom 20.11.2015 forderte sie den Beklagten erfolglos auf, seine Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach anzuerkennen und ein Schuldanerkenntnis zu unterschreiben. Im Dezember 2015 erhob sie gegen den Beklagten Klage, mit der sie diesen auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. EUR 29.191,61 in Anspruch nahm. In diesem Betrag waren auch Anwalts- und Gerichtskosten für das Verfahren vor dem Landgericht enthalten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage, das Landesarbeitsgericht (LAG) die Berufung der Beklagten abgewiesen, weil die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist nicht beachtet worden sei. Das LAG ging davon aus, dass eine vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist, deren Lauf von der Fälligkeit des Anspruchs abhängt, bei Schadensersatzansprüchen bereits zu laufen beginnt, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar sei, also sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlange oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte erlangen können. Ein Schadensersatzanspruch gegen einen Arbeitnehmer, der sich auf den Schaden richtet, der der Arbeitgeberin durch einen vertragswidrigen Entzug eines PKW durch einen Dritten entstanden sei, werde fällig, wenn bei objektiver Betrachtung mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass der PKW dauerhaft entzogen und mit seiner Rückgabe oder Bezahlung nicht zu rechnen sei. Deren Lauf habe begonnen, als objektiv mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen gewesen sei, dass der PKW dauerhaft entzogen sei. Dies sei spätestens der Fall gewesen, als die Klägerin sich entschlossen habe, eine Herausgabeklage gegen den Kunden vorzubereiten.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat es offengelassen, ob der Beklagte durch die Herausgabe des Fahrzeugs an den Kunden überhaupt seine Vertragspflichten verletzt hatte. Etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin seien – wie bereits das LAG aus Sicht des BAG zutreffend angenommen habe – aufgrund der vertraglichen Ausschlussklausel bereits verfallen gewesen. Die Ausschlussfrist begann nach Ansicht des BAG spätestens zu dem Zeitpunkt zu laufen, als sich die Arbeitgeberin dazu entschlossen hatte, Klage gegen den Kunden zu erheben, damit mithin jedenfalls vor dem 20.08.2015, so dass das Schreiben der Klägerin vom 20.11.2015, sofern dieses die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geltendmachung erfüllte, die Ausschlussfrist nicht gewahrt hatte. Etwas anderes folge im Hinblick auf den Fristbeginn nach Ansicht des BAG weder aus § 254 Abs. 2 BGB, der Pflicht eines Geschädigten zu versuchen, einen Sachen abzuwenden oder zu mindern, noch aus § 241 Abs. 2 BGB, der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht. Das BAG ging aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls davon aus, dass keine vorrangige gerichtliche Inanspruchnahme des Kunden durch die Klägerin geboten war, da es dieser nicht ohne weiteres möglich gewesen sei, den Kunden mit rechtlichem und vor allem wirtschaftlichem Erfolg in Anspruch zu nehmen. Es sei zu dem Zeitpunkt, als sich die Klägerin entschloss, Klage gegen den Kunden zu erheben, erkennbar gewesen, dass eine solche Klage keine realistische Aussicht geboten hätte, von dem Kunden überhaupt irgendeine Leistung zu erlangen.

Hinweise für die Praxis

Die Urteilsbegründung des LAG und die erst vorliegende Pressemitteilung des BAG zeigen, wie schwer es für einen geschädigten Arbeitgeber sein kann, dem eine Sache (vorliegend ein PKW) entzogen wurde und der den Schädiger kennt, den Zeitpunkt festzulegen, ab dem er von einem dauerhaften Entzug der Sache und damit von dem Eintritt eines Schadens ausgehen muss; hiervon hängt die Fälligkeit des Anspruchs ab. Für den geschädigten Arbeitgeber stellt sich weiter die Frage, wann eine Ausschlussfrist zu laufen beginnt, wenn er zur Abwendung des Schadens noch versucht, die Sache vom unmittelbaren Schädiger heraus zu verlangen.

Für den Arbeitgeber ist die Annahme des BAG, dass der Lauf der Ausschlussfristen bereits zu laufen begann, als er sich noch entschlossen hatte, Klage gegen den Kunden zu erheben, schwer zu verstehen. Er hatte schließlich noch die Hoffnung, dass er mit Hilfe des zivilgerichtlichen Verfahrens das Kfz wieder erlangen wird. Die Entscheidung des BAG zeigt damit, dass ein Arbeitgeber sehr vorsichtig sein muss. Er sollte vorsorglich Ansprüche gegen einen möglicherweise auch haftenden Arbeitnehmer in einer Situation wie der vorliegenden bereits früh gegenüber dem möglichen weiteren Schuldner, dem Arbeitnehmer, und in der vereinbarten Form detailliert geltend machen, evtl. auch mehrfach, womit das Arbeitsverhältnis aber belastet werden kann. Nur so kann es der Arbeitgeber aber verhindern, dass mögliche Regressansprüche gegen einen Arbeitnehmer bereits wegen einer vereinbarten Ausschlussfrist nicht mehr geltend gemacht werden können. Alternativ hierzu könnte auch überlegt und versucht werden, mit einem Schuldner nach Kenntnis der Umstände eine Vereinbarung zu schließen, nach der die Verfallfrist in dem bekannten Schadensfall z.B. nicht zu beachten ist oder noch nicht zu laufen beginnt, was aber nicht möglich ist, wenn Ausschlussfristen aufgrund gesetzlicher oder kollektivrechtlicher Regelungen zwingend zur Anwendung kommen.

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