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Nachwahl eines freizustellenden Betriebsratsmitglieds

Das BAG hat mit Beschluss vom 21.02.2018 (Az.: 7 ABR 54/16) entschieden, dass ein ersatzweise freizustellendes Betriebsratsmitglied derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen ist, der das zu ersetzende Mitglied angehörte. Ist diese Vorschlagsliste erschöpft, ist das ersatzweise freizustellende Ersatzmitglied durch Mehrheitswahl zu wählen.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Freistellungswahl.

Der elfköpfige Betriebsrat wählte zwei freizustellende Betriebsratsmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl. An der Wahl beteiligten sich zwei Listen mit jeweils zwei Kandidaten. Die Liste 1 enthielt sieben Stimmen, die Liste 2 – auf der sich der Antragsteller als erster Kandidat befand – konnte drei Stimmen auf sich vereinigen. Nach den Grundsätzen der Verhältniswahl waren damit die beiden Kandidaten der Liste 1 als freizustellende Betriebsratsmitglieder gewählt.

Nach dem Ausscheiden eines der beiden freigestellten Betriebsratsmitglieder wählte der Betriebsrat in  Mehrheitswahl ein ersatzweise freizustellendes Betriebsratsmitglied.

Der Antragsteller hat die Freistellungswahl angefochten. Er meinte, das ersatzweise freizustellende Betriebsratsmitglied hätte nicht im Wege der Mehrheitswahl gewählt werden dürfen. Vielmehr sei er in entsprechender Anwendung von § 25 II 2 BetrVG als freizustellendes Betriebsratsmitglied nachgerückt.

Der Antragsteller hatte vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Das BAG hat die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das BAG hält die Freistellungsnachwahl für wirksam.

Entscheidend sei, dass die Liste 1, auf der das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied für die Freistellung kandidiert hatte, erschöpft war. Der Antragsteller sei nicht als Kandidat der Liste 2 als freizustellendes Betriebsratsmitglied nachgerückt.

Das Gesetz regele zwar nicht, wie zu verfahren ist, wenn die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds während der Amtszeit des Betriebsrats vorzeitig endet. Für den Fall des Ausscheidens eines im Wege der Verhältniswahl in die Freistellung gewählten Betriebsratsmitglieds sei die Gesetzeslücke jedoch durch eine entsprechende Anwendung des § 25 II 1 BetrVG zu schließen. Danach ist das ersatzweise freizustellende Mitglied derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen, der das zu ersetzende Mitglied angehörte. Ist diese Vorschlagsliste erschöpft, ist das Ersatzmitglied nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl zu wählen.

Das ersatzweise freizustellende Betriebsratsmitglied sei auch nicht in analoger Anwendung von § 25 II 2 BetrVG der Vorschlagsliste zu entnehmen, auf die bei der ursprünglichen Freistellungswahl die nächste Höchstzahl entfallen wäre.

§ 25 II 2 BetrVG soll die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats sichern. Diese wäre gefährdet, wenn ein Ersatzmitglied nicht nachrücken könnte. Im Falle der Beendigung der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds bestehe jedoch keine vergleichbare Situation. Der Betriebsrat könne ohne weiteres aus seiner Mitte ein ersatzweise freizustellendes Betriebsratsmitglied wählen.

Die Regelung des § 25 II 2 BetrVG diene auch nicht dem Minderheitenschutz. Dieser wird bei der Freistellungswahl vielmehr durch die Verhältniswahl vermittelt, die gewährleistet, dass die Sitzverteilung mit dem Stimmenverhältnis übereinstimmt. Dadurch sind auch Minderheiten entsprechend dem Stimmenverhältnis vertreten. Durch die Regelung in § 25 II 2 BetrVG wird der Minderheitenschutz jedoch gerade aufgegeben, weil durch das Nachrücken von Ersatzmitgliedern aus einer anderen Vorschlagsliste die dem Stimmenverhältnis entsprechende Sitzverteilung verschoben wird, was einer Minderheitskoalition im Einzelfall zum Vor- oder Nachteil gereichen könne. Dies sei zwar für den Fall des Nachrückens von Ersatzmitgliedern in den Betriebsrat notwendig, um dessen Kontinuität sicherzustellen, nicht aber bei der Nachwahl von Freistellungen.

Hinweise für die Praxis

Der Beschluss des BAG führt zu mehr Rechtsklarheit. Ein ersatzweise freizustellendes Mitglied ist derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen, der das zu ersetzende Mitglied angehörte. Dies gewährleistet, dass die verbesserten Möglichkeiten von Minderheiten zur aktiven Mitarbeit bei der täglichen Betriebsratsarbeit erhalten bleiben. Ist diese Vorschlagsliste erschöpft, kann das ersatzweise freizustellende Ersatzmitglied jederzeit durch Mehrheitswahl nachgewählt werden. Da der Betriebsrat ohne weiteres aus seiner Mitte Freistellungen wählen kann, ist eine analoge Anwendung von § 25 II  2 BetrVG auch nicht erforderlich.

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