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Eine Kürzung der Hinterbliebenenversorgung aufgrund einer Altersabstandsklausel in der Versorgungsordnung stellt keine Altersdiskriminierung im Sinne des AGG dar

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 11. Dezember 2018 (Az. 3 AZR 400/17) entschieden, dass keine gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz  (AGG) verstoßende Diskriminierung wegen des Alters vorliegt, wenn eine Versorgungsregelung vorsieht, dass die Hinterbliebenenversorgung eines jüngeren hinterbliebenen Ehepartners für jedes volle über zehn Jahre hinausgehende Jahr des Altersunterschied der Ehegatten um 5% gekürzt wird.

Sachverhalt

Die im Oktober 1945 geborene Klägerin hat ihren im November 1930 geborenen und im Jahre 2014 verstorbenen Ehemann im Jahr 1966 geheiratet. Der Arbeitgeber des verstorbenen Ehemannes der Klägerin hatte diesem eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt. In der Versorgungsordnung ist geregelt, dass die Witwenrente für jedes volle über zehn Jahre hinausgehende Jahr des Altersunterschieds um 5% gekürzt wird, wenn die hinterbliebene Ehefrau mehr als zehn Jahre jünger ist als der verstorbene Ehemann. Die Klägerin machte mit ihrer Klage eine Zahlung der vollständigen Hinterbliebenenversorgung ohne Kürzung geltend und berief sich darauf, dass die auf der in der Versorgungsordnung enthaltene Altersabstandsklausel beruhende Kürzung, die der Arbeitgeber vorgenommen hatte, eine unmittelbare Altersdiskriminierung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG darstellt. Das Landesarbeitsgericht München hatte die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts München aufgehoben und den Arbeitgeber zur Nachzahlung der wegen der Altersabstandsklausel gekürzten Beträge der Hinterbliebenenversorgung verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Regelung in einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung erteilten Versorgungszusage, nach der eine schrittweise Kürzung der Witwenrente dann erfolgt, wenn der Altersunterschied zwischen den Ehegatten mehr als 10 Jahre beträgt, gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist, da sie eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach § 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 1 AGG bewirkt, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt ist.

Entscheidungsgründe

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist die durch die in der Versorgungsregelung enthaltene Abstandsklausel bewirkte unmittelbare Benachteiligung der Klägerin wegen des Alters gerechtfertigt. Zur Begründung führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass der Arbeitgeber bei Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ein legitimes Interesse habe, dass mit der Zusage verbundene wirtschaftliche Risiko zu begrenzen. Die Altersabstandsklausel bewege sich auch in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit, denn sie sei angemessen, erforderlich und führe nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der Interessen der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer. Wegen des Eingreifens der Altersabstandsklausel erst ab einem Altersabstand zum Ehepartner von mehr als zehn Jahren würden nur solche Ehegatten von dem Ausschluss erfasst, deren Altersabstand zum Ehepartner den in der Bevölkerung üblichen Abstand erheblich übersteigt. Außerdem sehe die Klausel keinen vollständigen Ausschluss ab dem elften Jahr des Altersunterschieds vor, sondern eine maßvolle, abgestufte Kürzung, sodass ein vollständiger Ausschluss erst bei einem Altersabstand von mehr als 30 Jahren zwischen den Ehegatten erreicht sei. Auf Seiten des Arbeitnehmers bzw. des Hinterbliebenen müsse berücksichtigt werden, dass bei einem Altersabstand von elf Jahren, ab dem die Altersabstandsklausel greife, der gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner von vorneherein darauf angelegt sei, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringt.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts schafft, auch wenn sie nur eine konkrete Regelung in der hier entschiedenen Fallkonstellation betrifft, etwas Klarheit für die Beurteilung der in vielen Versorgungsregelungen enthaltenen vergleichbaren Altersabstandsregelungen. Dies gilt vor allem mit Bezug auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 4. August 2015 (Az. 3 AZR 137/13), die verschiedentlich, so auch von dem hier befassten Landesarbeitsgericht München, so verstanden worden war, dass seit Inkrafttreten des AGG Altersabstandsregelungen in Versorgungsregelungen gar nicht mehr gerechtfertigt sein können. Außerdem werden Spielräume für die künftige Gestaltung von Versorgungsregelungen geschaffen.

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