sven koehnen handelsrecht 2.jpgnadja schmidt vertriebsrecht.jpg

Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung

Das BAG hat mit Urteil vom 28.06.2018 (Az.: 2 AZR 436/17) entschieden, dass die Zuweisung eines Arbeitsplatzes, der den Vorgaben von § 618 I BGB in Verbindung mit den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen nicht vollumfänglich genügt, gleichwohl billigem Ermessen entsprechen kann, wenn es sich um bloß geringfügige oder kurzzeitige Verstöße handelt, die keinen nachhaltigen Schaden bewirken können.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 2006 beschäftigt. In ihrem Sachgebiet kam es wiederholt zu Konflikten zwischen der Klägerin und den dort beschäftigten Mitarbeitern, so dass die Beklagte der Klägerin im November 2012 die Sachgebietsleitung entzog. Im Februar 2014 baten fünf Mitarbeiter um „eine räumliche Versetzung“ der Klägerin.

Nach einer 12-wöchigen Arbeitsunfähigkeit erteilte die Beklagte der Klägerin im Mai 2014 daraufhin eine neue Arbeitsaufgabe, wonach sie eine externen Kanalbetriebsstation auf ihre Gebäudesubstanz zu bewerten habe und wies ihr dabei ein Büro in unmittelbarer Nähe zu, in welchem sich unter anderem ein Schreibtisch und ein einfacher Holzstuhl befanden. Die Klägerin sollte ihr Büro selbst ausstatten. Da es keine Stempeluhr gab, sollte die Klägerin zudem Dienstantritt und Dienstende handschriftlich in die Zeitwertkarte eintragen und nach Vervollständigung der IT-Infrastruktur an ihrem Arbeitsplatz unmittelbar nach Dienstantritt und unmittelbar vor Dienstende eine entsprechende E-Mail an das Sekretariat der Abteilungsleitung senden.

Nach einer Begehung durch das Gewerbeaufsichtsamt teilte dieses der Beklagten bezüglich des Büros der Klägerin noch umzusetzende Maßnahmen nach Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung und weitere Arbeitsschutzmaßnahmen mit.

Die von der Beklagten geforderte Arbeitsleistung erbrachte die Klägerin unter anderem wegen der Zuweisung einer aus ihrer Sicht nicht vertragsgerechten Tätigkeit und der unzureichenden Büroausstattung nicht.

Die Beklagte mahnte daraufhin die Klägerin mehrfach ab und kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.

Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage der Klägerin stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen. Die Revision beim BAG hatte auch Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Nach Ansicht des BAG durfte das LAG mit der gegebenen Begründung nicht annehmen, es fehle an einem die Kündigung rechtfertigenden Grund.

Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, sei „an sich“ geeignet, selbst eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

Es habe billigem Ermessen entsprochen, der Klägerin den neuen Arbeitsplatz zuzuweisen. Die Verlegung des Arbeitsplatzes habe eine effizientere Aufgabenerledigung vor Ort gewährleisten sollen und das Ziel verfolgt, die anderen Mitarbeiter vor weiteren Konflikten und Spannungen mit der Klägerin zu schützen.

Das LAG habe die Umsetzung auch nicht mit der Begründung als unbillig ansehen dürfen, der Klägerin sei dort kein „zumutbarer“ Arbeitsplatz zugewiesen worden. Denn nur geringfügige oder kurzzeitige Verstöße, die – wovon das LAG selbst ausgegangen ist – keinen nachhaltigen Schaden bewirken konnten, würden nicht zu einer Unbilligkeit der Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes führen.

Zum anderen habe das LAG rechtsfehlerhaft gemeint, mit der funktionsgerechten Einrichtung des neuen Arbeitsplatzes sei der Klägerin eine „unterwertige“ Tätigkeit zugewiesen worden. Es habe hierbei verkannt, dass Nebenarbeiten dem Arbeitnehmer im Wege des Direktionsrechts zugewiesen werden können, wenn sie dem Arbeitsvertrag entsprechen.

Zudem habe die Weisung, sich arbeitstäglich per E-Mail an- und abzumelden, nicht gegen die einschlägige Dienstvereinbarung verstoßen.

Hinweise für die Praxis

Das BAG hat sich erneut mit dem Direktionsrecht eines Arbeitgebers befasst, das den Ort, die Art und die Zeit der Arbeitsleistung konkretisiert. Der Arbeitgeber hat das Direktionsrecht nach billigem Ermessen auszuüben und hierbei die wechselseitigen berechtigten Interessen abzuwägen. Nunmehr hat das BAG in diesem Zusammenhang klargestellt, dass die Zuweisung eines Arbeitsplatzes, der den Arbeitsschutznormen nicht vollumfänglich genügt, billigem Ermessen entsprechen kann, sofern es sich nur um geringfügige oder kurzzeitige Verstöße handelt, die keinen nachhaltigen Schaden bewirken können. Verweigert hingegen der Arbeitnehmer die Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflicht in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als falsch erweist (BAG, Urteil vom 22.10.2015 – 2 AZR 569/14).

Kontakt > mehr