
Keine Sitzgarantie für Gewerkschaft bei Umwandlung in SE
Die Mitbestimmungsvereinbarung einer durch Umwandlung gegründeten Europäischen Gesellschaft (SE) muss eine Sitzgarantie für Gewerkschaftsvertreter, die in dem Unternehmen vorher nach § 7 Abs. 2 MitbestG bestanden hat, nicht aufrechterhalten, so das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Beschluss vom 09.10.2018 – Az.: 19 TaBV 1/18).
Sachverhalt
Das Softwareunternehmen SAP unterfiel dem Mitbestimmungsgesetz 1976 und hatte einen 16-köpfigen Aufsichtsrat mit acht Arbeitnehmervertretern, von denen zwei Gewerkschaftsvertreter waren (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 MitBestG). Das Unternehmen wurde im Jahr 2014 in eine Europäische Gesellschaft (SE) umgewandelt. Wie gesetzlich vorgesehen traf das Unternehmen mit dem zuständigen besonderen Verhandlungsgremium eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE. Danach besteht der Aufsichtsrat aus 18 Mitgliedern. Je nach Anteil der auf Deutschland entfallenden Sitze sind bis zu zwei Sitze für Gewerkschaften reserviert. In der Vereinbarung ist vorgesehen, dass der Aufsichtsrat auf zwölf Mitglieder verkleinert werden kann.
Der Vorstand der Hauptversammlung hatte einen Vorschlag zur Satzungsänderung unterbreitet, wonach der Aufsichtsrat von 18 auf zwölf Mitglieder verkleinert werden soll mit der Folge, dass den Gewerkschaften keine reservierten Sitze im Aufsichtsrat mehr zustehen werden.
Zwei Gewerkschaften stellten den Antrag, dass dies dem Vorstand untersagt wird. Hilfsweise sollte festgestellt werden, dass die entsprechenden Regelungen in der Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE unwirksam sind und den Gewerkschaften ein alleiniges Vorschlagsrecht auch im verkleinerten Aufsichtsrat zusteht. Das Arbeitsgericht Mannheim wies die Anträge zurück (07.12.2017 – Az.:14 BV 13/16). Dagegen legten beide Gewerkschaften Beschwerde ein.
Entscheidungsgründe
Das LAG wies die Beschwerde der Gewerkschaften zurück.
Der Antrag gegen den Vorstand auf Untersagung, der Hauptversammlung einen Vorschlag zur Satzungsänderung zu unterbreiten (Verkleinerung des Aufsichtsrats von 18 auf zwölf Mitglieder unter Ausschluss einer Garantie von Sitzen für die Gewerkschaften), sei bereits unzulässig.
Der Antrag auf Feststellung, dass die entsprechenden Regelungen in der Beteiligungsvereinbarung unwirksam seien, ist laut LAG zwar zulässig, aber unbegründet. Die Vereinbarung verstoße nicht gegen § 21 Abs. 6 SEBG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2001/86/EG.
Das LAG hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Hinweise für die Praxis
Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Das Arbeitsgericht Mannheim hatte die Anträge aber ebenfalls bereits zurückgewiesen und seine Entscheidung ausführlich begründet. § 21 Abs. 6 SEBG schütze nur den proportionalen Anteil an Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, aber nicht die absolute Anzahl der Arbeitnehmervertreter oder gar die Sitze für Gewerkschaftsvertreter. Diese Entscheidung überzeugt. Bereits die grundlegende Systematik der SE-RL und des SEBG spricht gegen eine Sitzgarantie der Gewerkschaften, ebenso der Wortlaut des § 21 Abs. 6 SEBG. Die Mitbestimmung in der SE wird durch die Vereinbarungsautonomie geprägt, die eine umfassende Freiheit für die Gestaltung der Arbeitnehmerbeteiligung in Form einer Beteiligungsvereinbarung in der SE ermöglicht. Dieser Grundsatz der Verhandlungslösung würde umgangen, wenn die Vertretung von Gewerkschaften und leitenden Angestellten im Aufsichtsrat als zwingend eingestuft würde. Festgelegte Sitze für Gewerkschaftsvertreter und leitende Angestellte im Aufsichtsrat sind alleine Gegenstände des deutschen Mitbestimmungsrechts und finden sich bei der SE gerade nicht.
Allerdings ist die Frage, ob die national vorgesehenen Sitzgarantien bei Umwandlung in eine SE geschützt sind, noch nicht höchstrichterlich entschieden. Mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde zum BAG hat das LAG den Weg hierfür nun geebnet.
19. Oktober 2018