

Keine Kürzung von Witwenrente aufgrund sog. Altersabstandsklausel
Das LAG München hat mit Urteil vom 20.12.2017 (Az. 8 Sa 444/16) entschieden, dass eine Klausel unwirksam ist, welche die Kürzung einer vom ehemaligen Arbeitgeber des Verstorbenen zugesagten Witwenrente um 5% vorsieht für jedes volle, über zehn Jahre hinausgehende Jahr des Altersunterschieds, wenn die Ehefrau mehr als zehn Jahre jünger ist als der verstorbene Ehemann.
Sachverhalt
Die Klägerin ist die gut 14 Jahre jüngere Witwe des 1930 geborenen und am 18.07.2014 verstorbenen ehemaligen Mitarbeiters und Geschäftsführers der beklagten ehemaligen Arbeitgeberin des Verstorbenen. Die Ehe bestand seit September 1966, bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Verstorbenen und der Beklagten schlossen die Parteien am 06.08.1974 eine Vereinbarung zur Aufnahme in ein Versorgungswerk verbunden mit einer Versorgungszusage ab.
Diese sah u.a. einen Anspruch auf Witwenrente vor, jedoch gekürzt gemäß folgendem § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage:
"Wenn die Ehefrau mehr als zehn Jahre jünger ist als der verstorbene Ehemann, wird die Witwenrente für jedes volle, über zehn Jahre hinausgehende Jahr des Altersunterschieds um 5% (…) gekürzt."
Nachdem die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes von der Beklagten zunächst für vier Monate eine ungekürzte Witwenrente erhalten hatte, zahlte die Beklagte der Klägerin im Anschluss daran eine gekürzte monatliche Witwenrente in Höhe von 1.054,76 EUR.
Das Arbeitsgericht wies die auf Zahlung der Kürzungsbeträge und Feststellung der Pflicht zur Zahlung der ungekürzten Witwenrente gerichtete Klage der Klägerin ab. Die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Das Landesarbeitsgericht München führt in seinem Urteil aus, die Regelung in der Versorgungszusage, wonach eine schrittweise Kürzung der Witwenrente dann erfolgt, wenn der Altersunterschied zwischen den Ehegatten mehr als zehn Jahre beträgt, sei eine Diskriminierung nach dem Alter und gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, da sie eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 1 AGG bewirke, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt sei.
Diese Kürzungsregelung knüpfe unmittelbar an die Überschreitung einer bestimmten Differenz des Lebensalters der Ehepartner und daher auch an das Lebensalter des Versorgungsempfängers und Arbeitnehmers an. Damit erführen Mitarbeiter, die wie der verstorbene Ehemann der Klägerin eine mehr als zehn Jahre jüngere Person heiraten, wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung.
Diese Ungleichbehandlung sei nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Denn die an das Alter anknüpfende schrittweise Kürzungsregelung in § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage sei zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele nicht angemessen und erforderlich. Die Anknüpfung der Kürzung bereits ab einem Altersunterschied von zehn Jahren sei willkürlich und habe keinen rechtfertigenden Ansatz. Diese Regelung führe dazu, dass die Kürzung viel zu früh einsetze. So habe die Klägerin bereits bei einem Altersunterschied von 14 Jahren zu ihrem verstorbenen Ehemann eine Kürzung von einem Fünftel der Witwenrente hinzunehmen. Das legitime Versorgungsinteresse der Klägerin werde damit einseitig und übermäßig zu Gunsten der Arbeitgeberin beeinträchtigt. Dass eine objektive Rechtfertigung dafür nicht ersichtlich sei, verdeutlichte auch ein Vergleich mit dem Beamtenversorgungsgesetz, wonach erst bei einem Altersunterschied ab 20 Jahren eine fünfprozentige Kürzung pro Jahr erfolgt. Insoweit existiere eine gesetzgeberische Wertung zum konkreten Alter bei Abstandsklauseln mit der Folge, die in die Bewertung, ob die unterschiedliche Behandlung wegen Alters objektiv und angemessen ist, einzufließen habe. Die Hinterbliebenenversorgung knüpfe weiter an das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers an. Für dieses Versorgungsinteresse sei es jedoch unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die Ehe mit welchem Lebensalter geschlossen wurde. Es existiere vor allem kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass die Versorgungsberechtigten, die eine Ehe mit einem Altersunterschied der Ehepartner von mehr als zehn Jahren schließen, ein geringeres Interesse an der Versorgung ihrer Witwen haben als Versorgungsberechtigte, die die Ehe mit einer geringeren Lebensaltersdifferenz der Ehepartner schließen. Es existiere auch kein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend, dass eine Eheschließung bei einem Lebensaltersunterschied der Ehepartner von zehn Jahren ausschließlich oder überwiegend unter Versorgungsgesichtspunkten erfolgte. Es spreche im Übrigen einiges dafür, dass Altersabstandsklauseln als solche unter der Geltung des AGG nicht mehr Bestand haben könnten.
Praxishinweis
Die Entscheidung des LAG München beschneidet die Möglichkeiten von Arbeitgebern, Zusagen zur Hinterbliebenenversorgung einzuschränken, weiter. Das LAG München hat die Revision zum BAG zugelassen. Ob diese eingelegt wird und sich das BAG der Auffassung des LAG ggf. anschließen wird, bleibt abzuwarten. In seiner Entscheidung vom 04.08.2015 (3 AZR 137/13), in der das BAG eine sog. Spätehenklausel für unwirksam erachtet hat, hat das BAG offen gelassen, ob und ggf. in welcher konkreten Ausgestaltung Altersabstandsklauseln wie die vorliegende unter Geltung des AGG wirksam vereinbart werden können.
15. März 2018