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Kein Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzug im Wiedereingliederungsverhältnis

Das BAG hat mit Urteil vom 06.12.2017 (5 AZR 815/16) entschieden, dass zur Begründung des Annahmeverzugs der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung so anbieten muss, wie sie zu bewirken ist. Dem genügt das Angebot einer Tätigkeit in einem Wiedereingliederungsverhältnis nicht. Dieses ist nicht Teil des Arbeitsverhältnisses, sondern stellt neben diesem ein Vertragsverhältnis eigener Art (sui generis) dar. Anders als das Arbeitsverhältnis ist das Wiedereingliederungsverhältnis nicht durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet, sondern durch den Rehabilitationszweck.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs, hilfsweise Schadensersatz.

Der beim beklagten Land als Lehrer beschäftigte Kläger war seit März 2007 arbeitsunfähig erkrankt.  Die Fachärztin des Klägers empfahl diesem im Mai 2009 eine Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben vom 26. Juni 2009 bis zum 3. Juli 2009 im Umfang von drei Stunden täglich. Im Wiedereingliederungsplan gab sie als Zeitpunkt der absehbaren Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit das Ende der Sommerferien an. Das beklagte Land führte eine Wiedereingliederung nicht durch.

Im August 2009 teilte der Kläger mit, dass die Arbeitsunfähigkeit am 31. August 2009 enden solle, eine „Lösung zur Beschäftigung“ erforderlich sei und auch weiterhin eine Wiedereingliederung erfolgen solle. Das beklagte Land verweigerte hingegen einen schulischen Einsatz, solange die Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht durch einen Amts- bzw. Vertrauensarzt überprüft sei.

Daraufhin übermittelte der Kläger im Oktober 2009 eine hausärztliche Bescheinigung, die sofortige volle Arbeitsfähigkeit attestierte, und begehrte erneut Wiedereingliederung. Das Land lehnte dies weiterhin ab.

Der Kläger forderte für die Zeit von November 2009 bis September 2011 Vergütung wegen Annahmeverzugs, hilfsweise Schadensersatz unter Abzug erhaltener Sozialleistungen. Der Kläger ist der Ansicht, dass er ab September 2009 wieder arbeitsfähig gewesen sei. Selbst wenn Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe, hätte er einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der entgangenen Vergütung. Das beklagte Land habe durch Verweigerung der Wiedereingliederung treuwidrig die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit vereitelt.

Während das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, hat das LAG auf die Berufung des Klägers das beklagte Land zur Zahlung von Annahmeverzugslohn verurteilt. Die Revision des beklagten Landes hatte daraufhin Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat entschieden, dass der Kläger keine Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB habe, denn er habe seine Arbeitsleistung nicht ausreichend angeboten.

Der Arbeitnehmer müsse die Arbeitsleistung so anbieten, wie sie zu bewirken sei. Dem genüge das Angebot einer Tätigkeit in einem Wiedereingliederungsverhältnis im Sinne von § 74 SGB V nicht. Dieses sei nicht Teil des Arbeitsverhältnisses, sondern stelle neben diesem ein Vertragsverhältnis eigener Art (sui generis) dar. Anders als das Arbeitsverhältnis sei das Wiedereingliederungsverhältnis nicht durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet, sondern durch den Rehabilitationszweck.

Im vorliegenden Fall sei zwar ein tatsächliches Angebot im Sinne des § 294 BGB entbehrlich gewesen, denn das beklagte Land habe erklärt, es werde die Arbeitsleistung des Klägers erst annehmen, wenn dieser seine Arbeitsfähigkeit nachgewiesen habe. Doch habe der Kläger das erforderliche wörtliche Angebot auf Erbringung der Arbeitsleistung nach § 295 BGB nicht unterbreitet.

Die Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers hätten keine Angebote auf Arbeitsleistung enthalten. Angeboten werde lediglich eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen treuwidriger Vereitelung einer Wiedereingliederung nach § 280 Abs. 1 iVm. § 241 Abs. 2, § 823 Abs. 2 BGB und § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. Eine Pflichtverletzung des beklagten Landes liege nicht vor. Dieses treffe keine Pflicht zur Eingehung eines Wiedereingliederungsverhältnisses. Zwar könne der schwerbehinderte oder ein diesem gleichgestellter Arbeitnehmer nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX eine Tätigkeit auch im Rahmen einer Wiedereingliederung verlangen, jedoch sei nicht ersichtlich, dass der Kläger als schwerbehindert anerkannt oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sei.

Hinweise für die Praxis

Das BAG hat klargestellt, dass das Angebot einer Tätigkeit in einem Wiedereingliederungsverhältnis nicht genügt, um Annahmeverzugslohn zu begründen. Damit bestätigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung. Bereits mit Urteil vom 24.09.2014 - 5 AZR 611/12 hat das BAG entschieden, dass im Rahmen des neben dem Arbeitsverhältnis begründeten Wiedereingliederungsverhältnisses keine Ansprüche auf Annahmeverzugslohn bestehen. Denn mit der Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung wird nicht die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erfüllt, sondern die Tätigkeit ist lediglich auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit gerichtet.

Da in der Praxis oftmals keine klare Trennung zwischen Arbeitsangebot und Wiedereingliederung erfolgt, ist Arbeitgebern zu empfehlen zu prüfen, ob die geschuldete Leistung in ausreichender Form durch den Arbeitnehmer angeboten wird, oder ob lediglich eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses begehrt wird.

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