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Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs im Eilverfahren

Der Beschäftigungsanspruch eines Arbeitnehmers kann im Eilverfahren durchgesetzt werden, ohne dass der Arbeitnehmer ein besonderes Beschäftigungsinteresse vortragen muss (LAG Niedersachsen, Beschluss vom 8. Oktober 2018 – 12 Ta 279/18).

Sachverhalt

Nach jahrelanger Betriebszugehörigkeit kündigte die Beklagte, die eine Berufsfachschule betrieb, das Arbeitsverhältnis mit dem Schulleiter im Mai 2018 ordentlich zum Ende des Kalenderjahres. Der Schulleiter setzte sich dagegen zur Wehr und reichte Kündigungsschutzklage ein. Nachdem die Beklagte die Arbeitsleistung des Klägers zunächst weiter in Anspruch genommen hatte, stellte sie ihn im August 2018 ohne jede Begründung bis zum Beendigungszeitpunkt frei. Auch die Freistellung griff der Kläger daraufhin an. Sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde in erster Instanz zurückgewiesen. Das Arbeitsgericht Hannover begründete seine Auffassung damit, dass der Kläger kein besonderes Interesse an seiner Beschäftigung bis zum Beendigungszeitpunkt dargelegt habe.

Entscheidungsgründe

Das LAG Niedersachsen erließ die begehrte einstweilige Verfügung in zweiter Instanz und gestand dem Kläger einen Beschäftigungsanspruch bis zum Jahresende zu. Der Beschäftigungsanspruch, so die 12. Kammer, folge im bestehenden Arbeitsverhältnis aus §§ 611, 613 BGB und dem Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB), das wiederum das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers schütze. Beruft sich ein Arbeitgeber im Prozess über die Beschäftigungspflicht auf entgegenstehende Interessen, muss das Gericht die beiderseitigen Interessen gegeneinander abwägen. Tut er dies nicht, besteht der Beschäftigungsanspruch zunächst ohne weiteres. Auf ein besonders gesteigertes Beschäftigungsinteresse kommt es erst dann an, wenn der Arbeitgeber seinerseits konkrete Tatsachen glaubhaft macht, die ihm die Beschäftigung unmöglich und/oder unzumutbar machen.

Hinweise für die Praxis

Bereits im Vorjahr hatte das Landesarbeitsgericht Hamburg in einem ähnlichen Fall die schnelle Durchsetzung eines Beschäftigungsanspruchs ermöglicht. Mit seiner Begründung schließt sich das LAG Niedersachsen der Vorentscheidung an. Nach Auffassung der Richter reicht allein die andauernde vertragswidrige Verweigerung der Beschäftigung dafür aus, den für eine einstweilige Verfügung erforderlichen Eilbedarf zu begründen. Für Arbeitgeber wird die mit einer Kündigung verbundene Freistellung bis zum Beendigungszeitpunkt erschwert. Sie werden – jedenfalls vorsorglich – dokumentieren müssen, welche berechtigten Interessen einer Weiterbeschäftigung bis zum Vertragsende entgegenstehen. In Betracht kommen hier Faktoren wie etwa ein substantieller Vertrauensverlust oder der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Anderenfalls bleibt das Risiko, dass Arbeitnehmer das einstweilige Verfügungsverfahren zumindest dafür nutzen, die Verhandlungen über eine etwaige Abfindung zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

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