Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Betriebsratswahl – kein striktes Neutralitätsgebot

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 25.10.2017 (7 ABR 10/16) entschieden, dass nach § 20 Abs. 2 BetrVG niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen darf. Die Vorschrift beinhaltet aber kein striktes Neutralitätsgebot im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen. Untersagt ist damit nicht jede Handlung oder Äußerung, die geeignet sein könnte, die Wahl zu beeinflussen. Die Beeinflussung muss vielmehr durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen erfolgen.

Sachverhalt

Im Mai 2014 fand in einem Gemeinschaftsbetrieb eine Betriebsratswahl statt, die von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern des Betriebs im Anschluss angefochten wurde. Unter den Klägern befand sich auch die ehemalige Betriebsratsvorsitzende. Die Kläger sind der Ansicht, die beteiligten Arbeitgeber hätten die Wahl unzulässig beeinflusst.

Ein Personalleiter hatte im September 2013 auf einem von der Geschäftsleitung initiierten Treffen der außertariflichen Angestellten mit 80 Anwesenden geäußert, die Betriebsratsvorsitzende behindere die Arbeit des Unternehmens. Der Personalleiter regte an, bei der 2014 stattfindenden Betriebsratswahl eine „gescheite Liste“ aufzustellen. Ein Geschäftsführer forderte zudem die Anwesenden auf, geeignete Mitarbeiter des Unternehmens für einen neuen Betriebsrat zu suchen. Der Personalleiter sprach im September/Oktober 2013 weitere Beschäftigte an, ob sie sich zur Wahl stellen und gegebenenfalls den Betriebsratsvorsitz übernehmen wollten. Bei einem Führungskräftetreffen des Innendienstes im Oktober 2013 präsentierte der Personalleiter den Mitarbeitern das d’Hondtsche Höchstzahlverfahren und äußerte dabei, jeder, der der Betriebsratsvorsitzenden seine Stimme bei der Betriebsratswahl gebe, begehe „Verrat“.

Das Arbeitsgericht hat die gestellten Anträge noch abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Wahl indes für unwirksam erklärt. Die gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts gerichteten Rechtsbeschwerden hatten Erfolg.

Entscheidungsgründe

Nach § 20 Abs. 2 BetrVG darf niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen. Als Nachteil ist jedes Übel zu verstehen, das geeignet ist, die freie Willensbestimmung zu beeinträchtigen. Vorteil ist jede Vergünstigung, auf die kein Anspruch besteht. Untersagt ist danach jede Benachteiligung oder Begünstigung, etwa durch eine finanzielle Unterstützung einzelner Kandidaten oder Wahlvorschlagslisten mit dem Ziel der Wahlbeeinflussung sowie der auf vielfältige Weise mögliche Versuch eines „Stimmenkaufs“ von Arbeitnehmern.

Aus der Vorschrift des § 20 Abs. 2 BetrVG lässt sich nach der Entscheidung des BAG aber nicht ableiten, dass jedes nicht strikt neutrale Verhalten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen zur Anfechtung der Wahl berechtigt. § 20 Abs. 2 BetrVG untersagt gerade nicht jede Handlung oder Äußerung, die geeignet sein könnte, die Wahl zu beeinflussen. Die Beeinflussung müsse nach Ansicht des BAG vielmehr durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen erfolgen.

§ 20 Abs. 2 BetrVG schütze die innere Willensbildung des Arbeitnehmers, um eine freie Wahlentscheidung zu gewährleisten. Hierzu bedürfe es keiner allgemeinen „Neutralitätspflicht“ des Arbeitgebers. Die innere Freiheit der Wahlentscheidung werde durch das Wahlgeheimnis in § 14 Abs. 1 BetrVG gewährleistet. Eine geheime Wahl stelle sicher, dass jeder Arbeitnehmer seine Wahl in Ansehung der ihm bekannten Tatsachen und Meinungen nach seiner freien Überzeugung treffen könne. Er könne sich dazu von den Standpunkten anderer Arbeitnehmer, Gewerkschaften oder auch des Arbeitgebers leiten oder beeinflussen lassen. Es sei aber eben nicht gesagt, dass sich ein Wahlberechtigter von einer Wahlempfehlung allein deshalb überzeugen lasse, weil diese von bestimmter Stelle, etwa vom Arbeitgeber, ausgesprochen worden sei. Von einer unzulässigen Wahlbeeinflussung gehe das Gesetz daher nicht schon dann aus, wenn der Arbeitgeber nur seine Sympathie mit bestimmten Listen oder Kandidaten bekunde.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts genüge es auch nicht, dass bei einer Gesamtbetrachtung der festgestellten Äußerungen des Geschäftsführers sowie des Personalleiters sich eine „Gesamtstrategie“ mit dem Ziel einer anderen Betriebsratszusammensetzung erkennen lasse. Auch erfülle die Anregung, eine alternative, möglicherweise „arbeitgeberfreundliche“ Liste aufzustellen und das gezielte Werben um eine Kandidatur auf dieser Liste noch nicht die Voraussetzungen einer verbotenen Wahlbeeinflussung i.S.v. § 20 Abs. 2 BetrVG.

Alleine durch den vom Personalleiter angesprochenen „Verrat“ und seiner Äußerung, die Betriebsratsvorsitzende dürfe auf keinen Fall wiedergewählt werden, habe der Personalleiter möglichen Wählern der Betriebsratsvorsitzenden auch keine Nachteile angedroht.

Auch erfülle die Anregung, eine alternative, möglicherweise „arbeitgeberfreundliche“ Liste aufzustellen, zudem das gezielte Werben um eine Kandidatur auf einer solchen Liste, noch nicht die Voraussetzungen einer verbotenen Wahlbeeinflussung i.S.v. § 20 Abs. 2 BetrVG.

Hinweise für die Praxis

Nach Ansicht des BAG gibt es kein striktes Neutralitätsgebot im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen. Das Gericht sieht auch nicht in der Kritik des Arbeitgebers alleine eine Wahlbeeinflussung. Im Einzelfall muss gleichwohl immer sorgfältig geprüft werden, welches Verhalten noch zulässig ist. Scharfe Grenzen gibt es auch in Zukunft nicht. Die Entscheidung des BAG kann aber gut als Richtschnur dazu verwendet werden, was noch zulässig sein kann. In keinem Fall darf aber versucht werden, durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen Einfluss auf die Wahl zu nehmen. 

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