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Berufswechselkündigung durch Auszubildenden

Das BAG hat mit Urteil vom 22.02.2018 (6 AZR 50/17) entschieden, dass § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG keine zwingende Kündigungsfrist festlegt, die vom Auszubildenden nicht überschritten werden darf. Deshalb darf der Auszubildende bei einer Berufswechselkündigung das Ausbildungsverhältnis zu dem von ihm beabsichtigten Zeitpunkt der Aufgabe der Berufsausbildung auch mit einer längeren als der gesetzlich normierten Frist von vier Wochen kündigen.

Sachverhalt

Die Parteien streiten noch über den Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nach der Kündigung durch den Auszubildenden.

Der Kläger begann am 1. August 2015 eine Ausbildung zum Elektroniker bei der Beklagten, die am 31. Januar 2019 enden sollte. Der Kläger kündigte das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 4. Januar 2016 zum 29. Februar 2016 und begründete dies damit, dass er sich für einen anderen Berufs Weg entschieden habe und die derzeitige Ausbildung aufgeben wolle. Seine neue Berufsausbildung beginne am 1. März 2016.

Die Beklagte war der Auffassung, dass das Ausbildungsverhältnis vier Wochen nach Zugang der Kündigung und damit bereits am 2. Februar 2016 geendet habe.

Erstinstanzlich hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung des Klägers vom 04.01.2016 nicht vor dem Ablauf des 29.02.2016 sein Ende gefunden habe. Die hiergegen eingelegte Berufung des Arbeitgebers hatte keinen Erfolg. Die Revision wurde ebenfalls zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat entschieden, dass die wirksam erklärte vorzeitige Kündigung des Klägers vom 4. Januar 2016 das Ausbildungsverhältnis erst mit Ablauf des im Kündigungsschreiben genannten Datums beendet habe. Das Ausbildungsverhältnis habe daher bis zum 29. Februar 2016 fortbestanden.

Dies hat das BAG damit begründet, dass § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG keine zwingende Kündigungsfrist festlege, die vom Auszubildenden nicht überschritten werden dürfe. Eine solche Rechtsfigur sei dem Ausbildungsrecht fremd. Die vierwöchige Kündigungsfrist des § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG sei zwar gemäß § 25 BBiG unabdingbar, darf also nicht durch Vereinbarungen zwischen den Parteien zulasten des Auszubildenden verlängert werden. Diese Frist sei aber als Höchstkündigungsfrist nur einseitig zwingend. Deshalb dürfe der Auszubildende bei einer Berufswechselkündigung das Ausbildungsverhältnis zu dem von ihm beabsichtigten Zeitpunkt der Aufgabe der Berufsausbildung auch mit einer längeren als der gesetzlich normierten Frist von vier Wochen kündigen.

Hinweise für die Praxis

Die Frage, ob § 22 Abs. 2 Nr. 2BBiG eine zweiseitige zwingende Kündigungsfrist enthält, ist bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall nicht näher erörtert worden. Nunmehr hat das BAG klargestellt, dass der Auszubildende im Rahmen einer Berufswechselkündigung nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 BGB das Ausbildungsverhältnis nicht „punktgenau“ zum Zeitpunkt der von ihm beabsichtigten Aufgabe der Berufsausbildung kündigen muss. Vielmehr darf er diese Kündigungsfrist grundsätzlich überschreiten und kann deshalb unter Verlängerung dieser Frist vorzeitig kündigen.

Unabhängig hiervon ist stets zu beachten, dass die Kündigung schriftlich und unter Angabe des Kündigungsgrundes erfolgen muss, § 22 Abs. 3 BBiG. Der Auszubildende muss daher seinen Willen zur Aufgabe der Berufsausbildung bzw. zum Berufswechsel dem Ausbildenden schriftlich mitteilen. Auch bedarf die Kündigungserklärung eines minderjährigen Auszubildenden der Einwilligung der gesetzlichen Vertreter.

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