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Befristung wegen mittelbarer Vertretung – Gestaltungsmissbrauch

Das BAG hat mit Urteil vom 21.02.2018 (7 AZR 696/16) entschieden, dass nach § 14 I 2 Nr. 3 TzBfG ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vorliegt, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird.

Wird die Tätigkeit der zeitweise ausgefallenen Stammkraft nicht von dem Vertreter, sondern von anderen Arbeitnehmern ausgeübt und deren Tätigkeit dem Vertreter übertragen (mittelbare Vertretung), hat der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen. Eine schriftliche Dokumentation der Vertretungskette bei Vereinbarung der Befristung ist bei mittelbarer Vertretung zur Gewährung des Kausalzusammenhangs nicht erforderlich.

Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 15.07.2015 geendet hat.

Die Klägerin wurde im Zeitraum vom 01.11.2010 bis 15.07.2015 aufgrund von insgesamt zehn befristeten Arbeitsverträgen als Lehrkraft beschäftigt. In dem zuletzt am 10.07.2014 für die Zeit vom 19.08.2014 bis zum 15.07.2015 geschlossenen Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien eine Tätigkeit im Umfang von 50 % der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Lehrkraft.

Die Klägerin erhob Befristungskontrollklage und vertrat die Auffassung, dass die Befristung nicht nach § 14 I 2 Nr. 3 TzBfG wegen der Vertretung der Stammkraft R sachlich gerechtfertigt sei. Denn bei der Beklagten bestehe ein dauerhafter Bedarf im entsprechenden Unterrichtsfach. Dieser werde unter anderem belegt durch die Dauer ihrer Beschäftigung, die Anzahl der mit ihr abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge und die wiederholte Tätigkeit im gleichen Fach an der gleichen Schule. Die Beklage habe die Gestaltungsmöglichkeiten des TzBfG rechtsmissbräuchlich ausgenutzt.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten beim BAG hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat entschieden, dass die im Arbeitsvertrag vom 10.07.2014 vereinbarte Befristung durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 I 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt sei.

Der Sachgrund der Vertretung setze einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraus. Der Kausalzusammenhang bestehe nicht nur, wenn der befristet zur Vertretung eingestellte Mitarbeiter die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt (unmittelbare Vertretung). Der Kausalzusammenhang könne auch gegeben sein, wenn der Vertreter nicht unmittelbar die Aufgaben des vertretenen Mitarbeiters übernimmt. Dann habe der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen.

Vorliegend habe die im Arbeitsvertrag vom 10.07.2014 vereinbarte Befristung auf der mittelbaren Vertretung der in Vollzeit beschäftigten Lehrerin R beruht. Der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall von Frau R und der Einstellung der Klägerin habe ebenfalls vorgelegen. Insoweit habe das LAG eine geschlossene Vertretungskette bei der Aufgabenübertragung zwischen der Stammkraft Frau R und der Klägerin festgestellt.

Einer schriftlichen Dokumentation der Vertretungskette habe es ebenfalls nicht bedurft. Denn dies sei bei der mittelbaren Vertretung zur Gewährleistung des Kausalzusammenhangs zwischen der zeitweiligen Arbeitsverhinderung der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft nicht erforderlich. Insofern bestehe keine Missbrauchsgefahr, da spätestens zu Beginn der mit der Vertretungskraft vereinbarten Vertragslaufzeit Tätigkeitszuweisungen auf andere Arbeitnehmer und die Vertretungskraft zu erfolgen haben, was auf das Vorliegen entsprechender Planungen des Arbeitgebers im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags schließen lässt.

Es liege auch kein institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vor. Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen komme es insofern darauf an, ob die gesetzlichen Wertungen in § 14 II 1 TzBfG erheblich überschritten seien, was vorliegend nicht der Fall war. Denn das Arbeitsverhältnis habe nicht die Gesamtdauer von sechs Jahren überschritten und zudem seien nicht mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart worden.

Hinweise für die Praxis

Das Urteil des BGH vom 21.02.2018 schafft Rechtsklarheit. Die Vorinstanz war der Meinung, dass eine Missbrauchsgefahr auch im Falle der mittelbaren Vertretung bestehe. Denn vor dem Hintergrund, dass erfahrungsgemäß nur gegen wenige Befristungen gerichtlich vorgegangen werde, bestehe die Gefahr, dass in diesen Fällen erst nachträglich Vertretungsketten generiert würden. Daher müsse der Arbeitgeber die Vertretungsketten nach außen erkennbar festlegen und dokumentieren. Zwar hat das BAG nunmehr klargestellt, dass es im Falle einer mittelbaren Stellvertretung keiner solchen schriftlichen Dokumentation der Vertretungskette bedarf, dennoch empfiehlt es sich für die Praxis, für eine lückenlose Vertretungskette bei Vertragsabschluss zu sorgen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

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