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Befristung des Arbeitsvertrags – Institutioneller Rechtsmissbrauch

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 21.02.2018 entschieden, dass bei der Prüfung, ob der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) gehindert ist, sich auf den Sachgrund der Vertretung zu berufen, auch Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis zwischen den befristeten Arbeitsverträgen unterbrochen war, zu berücksichtigen sind. Jedenfalls eine Unterbrechung von zwei Jahren schließe in der Regel aber aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge aus. In einem solchen Fall seien nur die zeitlich nach der Unterbrechung abgeschlossenen Arbeitsverträge in die Missbrauchskontrolle einzubeziehen. Das BAG hat aber offengelassen, wie lange das Arbeitsverhältnis unterbrochen sein muss, um nicht mehr von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen ausgehen zu können und ob dies bereits bei einer Unterbrechung von drei Monaten und drei Wochen anzunehmen ist.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrags zum 30.09.2015. Der Kläger war seit dem 25.08.2008 auf der Grundlage von insgesamt 22 befristeten Arbeitsverträgen bei der Beklagten als Briefzusteller beschäftigt. Zunächst war er bis zum 31.07.2013 neben seinem Betriebswirtschaftsstudium als Teilzeitkraft mit unterschiedlichem Stunden Umfang tätig. In dieser Zeit vertrat er verschiedene abwesende Stammkräfte. Anschließend war die Beschäftigung für einen Zeitraum von drei Monaten und drei Wochen unterbrochen, um dem Kläger die Möglichkeit zu eröffnen, sein Studium zu beenden. In der Zeit vom 01.09.2013 bis zum 20.11.2013 bestanden dabei keinerlei vertragliche Beziehungen der Parteien. Ab dem 21.11.2013 war der Kläger als Zustellkraft in Vollzeit bei der Beklagten tätig. Im letzten, für die Zeit vom 01.07.2015 bis zum 30.09.2015 geschlossenen Arbeitsvertrag vom 24.06.2015 war es Befristungsgrund die „Vertretung wegen vorübergehender Abwesenheit des Mitarbeiters N“ genannt. N war im gleichen Zustellbereich und in der gleichen Entgeltgruppe wie der Kläger tätig. N war zunächst für die Zeit vom 01.10.2013 bis zum 01.10.2014 Sonderurlaub gewährt worden, der dann bis zum 01.10.2015 verlängert wurde. Auf einen weiteren Antrag des N vom 07.06.2015 bewilligte die Beklagte ihm am 13.07.2015 ein weiteres Jahr Sonderurlaub bis zum 02.10.2016.

Die auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung zum 30.09.2015 gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidungsgründe

Das BAG hält im entschiedenen Fall die Befristung zur Vertretung als Sachgrundbefristung gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG für gerechtfertigt, da der Kläger zur Vertretung des Arbeitnehmers N eingestellt worden sei, dem bis zum 01.10.2015 Sonderurlaub bewilligt worden war. Der Sonderurlaub rechtfertige die Prognose, dass der Vertretungsbedarf zum Ende des Sonderurlaubs des Vertretenen wegfalle. Selbst wenn bereits bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrags des Klägers am 24.06.2015 davon auszugehen gewesen wäre, dass der Sonderurlaub von Herrn N nicht mit dem 01.10.2015 enden, sondern um ein weiteres Jahr verlängert werden würde, stünde dies der Wirksamkeit der Befristungsabrede mit dem Kläger zum 30.09.2015 nicht entgegen. Die mit dem Vertreter vereinbarte Vertragslaufzeit müsse nicht mit der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsverhinderung der Stammkraft übereinstimmen, sondern könne dahinter zurückbleiben.

Die Beklagte ist nach Auffassung des BAG auch nicht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB daran gehindert, sich auf den Sachgrund der Vertretung zu berufen. Das BAG bestätigte zunächst seine neuere Rechtsprechung. Danach besteht bei Vorliegen eines Sachgrundes kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, solange das Arbeitsverhältnis nicht die Gesamtdauer von sechs Jahren überschreitet und zudem nicht mehr als neuen Vertragsverlängerungen vereinbart wurden, es sei denn, die Gesamtdauer übersteigt acht Jahre oder es wurden mehr als zwölf Vertragsverlängerungen vereinbart. Werden diese Grenzen überschritten, hängt es nach der Rechtsprechung des BAG von weiteren, zunächst vom Arbeitnehmer vorzutragenden Umständen ab, ob ein Rechtsmissbrauch anzunehmen ist. Erst wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zehn Jahre überschreitet oder mehr als 15 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder wenn mehr als zwölf Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als acht Jahren vorliegen, ist nach Auffassung des BAG ein institutioneller Missbrauch indiziert, der jedoch durch den Arbeitgeber durch den Vortrag besonderer Umstände entkräftet werden kann.

Obgleich im entschiedenen Fall die letztgenannten Grenzen nur überschritten wären, wenn die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2013 für die Dauer von drei Monaten und drei Wochen nicht zu berücksichtigen wäre, ließ das BAG offen, ab welcher Dauer eine Arbeitsunterbrechung zu berücksichtigen ist. Der Senat führt lediglich aus, jedenfalls eine Unterbrechung von zwei Jahren schließe in der Regel aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse und damit einen Rechtsmissbrauch aus. Im konkreten Fall sah das BAG aber Umstände als gegeben an, die auch einen indizierten institutionellen Rechtsmissbrauch widerlegten. Hierfür spreche entscheidend, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus zwei Phasen bestanden habe, die sich vom Umfang der Arbeitsleistung grundlegend unterschieden, nämlich vor der Unterbrechung studienbegleitend in Teilzeit und danach als Vollzeitkraft. Weiter stamme die Unterbrechung von drei Monaten und drei Wochen aus der Sphäre des Klägers, woraus sich ergebe, dass die Beklagte den Abschluss der befristeten Arbeitsverträge mit dem Kläger nicht missbraucht habe, sondern dass sie mit der Vertragsgestaltung auch den Interessen des Klägers Rechnung getragen hat.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des BAG festigt und konkretisiert die bisherige Rechtsprechung zur Sachgrundbefristung und bietet eine gute Orientierungshilfe für die Praxis. Dennoch muss freilich im Einzelfall stets geprüft werden, ob tatsächlich ein Sachgrund zur Befristung gegeben ist und die von der Rechtsprechung formulierten Grenzen eingehalten sind. Denn wenn eine wirksame Befristung nicht vereinbart wird, entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

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