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Arbeitskampf und Streikbruchprämie

Tarifverhandlungen gehören zum Wirtschaftsleben vieler Unternehmen. Ist keine Einigung zwischen den Tarifparteien absehbar, kann es zum Arbeitskampf kommen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 14. August 2018 wiederholt entschieden, dass so genannte Streikbruchprämien zulässig sind und vom Arbeitgeber als Abwehrmittel gegen Streik eingesetzt werden dürfen (BAG, Urt. v. 14. August 2018, Az. 1 AZR 287/17).

Sachverhalt

Der Kläger ist Beschäftigter eines Einzelhandelsunternehmens. Dieses wurde in den Jahren 2015 und 2016 an mehreren Tagen bestreikt. Durch den Arbeitskampf wollte die Gewerkschaft ver.di den Abschluss eines neuen Tarifvertrages zur Anerkennung regionaler Einzelhandelstarifverträge erzwingen. Vor Streikbeginn verkündete der Arbeitgeber in einem betrieblichen Aushang, dass alle Arbeitnehmer, die ungeachtet des Streiks ihrer Tätigkeit nachgehen, eine Streikbruchprämie in Höhe von erst 200 Euro und später 100 Euro erhalten sollten. Der Kläger folgte dem Streikaufruf der Gewerkschaft und legte an mehreren Tagen die Arbeit nieder. Gleichwohl verlangte er von seinem Arbeitgeber im Nachgang die Zahlung von Prämien in einer Gesamthöhe von 1.200 Euro. Seinen vermeintlichen Anspruch begründete er mit einem Verstoß der Prämienregelung gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Entscheidungsgründe

Weder die Instanzgerichte noch der 1. Senat des BAG schlossen sich dieser Sichtweise an. Die Erfurter Richter bestätigten vielmehr eine Entscheidung des Senats aus dem Jahr 1993. Auch seinerzeit hatte das BAG die Zahlung von Streikbruchprämien als arbeitgeberseitiges Mittel des Arbeitskampfes gebilligt (BAG, Urt. v. 13. Juli 1993 – 1 AZR 676/92). Der Arbeitgeber, so das BAG, habe mit seiner freiwilligen Sonderleistung betrieblichen Ablaufstörungen begegnen und damit dem Streikdruck entgegenwirken wollen. In der Zusage der Prämienzahlung gegenüber allen Arbeitswilligen liege zwar naturgemäß eine Ungleichbehandlung der streikenden im Verhältnis zu den nicht streikenden Beschäftigten. Diese Ungleichbehandlung sei jedoch vor dem Hintergrund der auf beiden Seiten geltenden Kampfmittelfreiheit zulässig. Auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sah das BAG als nicht verletzt an. Das Argument des Klägers, die Höhe der Prämie übersteige den Tagesverdienst vieler Streikteilnehmer, drang nicht durch.        

Hinweise für die Praxis

Das BAG hält sich mit seiner Entscheidung, die zunächst nur als Pressemitteilung vorliegt, getreu an die 1993 aufgestellten Grundsätze. Diese haben seither auch Eingang in die instanzgerichtliche Rechtsprechung gefunden. Arbeitsgerichte und Literatur erachten Streikbruchprämien insgesamt weit überwiegend als zulässig. Für den Arbeitgeber ist damit der Weg zu effektiven Streikbekämpfung eröffnet: Die Anreizbildung durch Prämien kann sicherlich in vielen Fällen zum Erhalt der Arbeitswilligkeit beitragen und die durch den Arbeitskampf eintretenden wirtschaftlichen Schäden abfangen. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn die Sonderleistung nicht vor Streikbeginn, sondern erst nach Ende des Arbeitskampfes versprochen wird. Einen Einfluss auf das Kampfgeschehen kann der Arbeitgeber dann nicht mehr nehmen. Die naturgemäße Ungleichbehandlung streikender und nicht streikender Arbeitnehmer kann hier als Maßregelung bewertet werden, wenn sie durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. In Betracht kommen dürfte wohl häufig eine höhere Belastung der Arbeitswilligen während der Streikarbeit. Auch der Betriebsrat könnte im Fall nachträglicher Streikprämien ggf. ein Wörtchen mitzusprechen haben (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG).

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