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Anspruch auf Schadensersatz nach Erhöhung der Arbeitszeit

Das BAG hat mit Urteil vom 27.02.2018 (9 AZR 167/17) entschieden, dass für den Fall, dass ein Arbeitgeber einen freien Arbeitsplatz iSd. § 9 TzBfG besetzt und dies zum Untergang des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Vertragsänderung (§ 275 Abs. 1 BGB) führt, er dem Arbeitnehmer Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB zu leisten hat, sofern er das zur Unmöglichkeit führende Verhalten zu vertreten hat.

Ein ihm angezeigter Verlängerungswunsch verpflichtet den Arbeitgeber jedoch für sich genommen nicht dazu, dem Arbeitnehmer bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einen Antrag iSv. § 145 BGB auf Abschluss eines Arbeitsvertrags mit erhöhter Arbeitszeit zu unterbreiten. Vielmehr löst die Anzeige des Arbeitnehmers lediglich die in § 7 Abs. 2 TzBfG bestimmte Informationspflicht aus.

Sachverhalt

Der Kläger nimmt das beklagte Land, das seinem Wunsch nach Erhöhung der wöchentlichen Regelarbeitszeit nicht nachgekommen ist, auf Schadensersatz in Anspruch.

Das beklagte Land beschäftigt den Kläger seit dem 3. Februar 2003 als Lehrkraft, zuletzt an einer Förderschule in Teilzeit mit 14 Pflichtstunden in der Woche.

Unter dem 21. Mai 2015 zeigte der Kläger dem damaligen Leiter der Förderschule den Wunsch an, die Anzahl seiner Wochenstunden auf 29 zu erhöhen, und bat, ihn über frei werdende Stellen, auf die er sich bereits jetzt bewerbe, zu informieren. Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 trat der Kläger mit entsprechendem Wunsch an das zuständige Staatliche Schulamt heran. Mit weiterem Schreiben vom 21. Juli 2015 verlangte der Kläger von diesem Auskunft über zu besetzende Stellen.

Im ersten Halbjahr des Schuljahres 2015/2016 befanden sich vier Inhaber von Planstellen an der Förderschule, an der der Kläger unterrichtet, in Elternzeit oder Mutterschutz. Zum Zweck der Vertretung schloss das beklagte Land mit sechs Personen befristete Arbeitsverträge, ohne die Stellen zuvor auszuschreiben.

Aus diesem Grund begehrte der Kläger mit der Klage die Differenz zwischen seinem Gehalt und dem Gehalt einer Vollzeitstelle als Schadensersatz.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Klage unter Zurückweisung der Berufung des Klägers insgesamt abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat entschieden, dass das beklagte Land nicht verpflichtet sei, dem Kläger Schadensersatz zu leisten.

Das Arbeitsvertragsrecht kenne grundsätzlich keinen Kontrahierungszwang und damit auch keinen Anspruch, das seitens einer Vertragspartei unterbreitete Änderungsangebot anzunehmen. Eine gesetzliche Ausnahme von diesem Grundsatz finde sich ua. in § 9 TzBfG. Diese Vorschrift begründe unter den dort genannten Voraussetzungen einen einklagbaren Rechtsanspruch des in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmers auf Verlängerung seiner Arbeitszeit durch Vertragsänderung. Besetzt daher ein Arbeitgeber einen freien Arbeitsplatz iSd. § 9 TzBfG und führt dies zum Untergang des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Vertragsänderung (§ 275 Abs. 1 BGB), habe er dem Arbeitnehmer Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB zu leisten, sofern er das zur Unmöglichkeit führende Verhalten zu vertreten hat. Der danach zu leistende Schadensersatz richte sich auf den finanziellen Ausgleich der Nachteile, die der Arbeitnehmer infolge der Stellenbesetzung in kausaladäquater Weise erleidet.

Vorliegend habe es jedoch an dem für einen Anspruch nach § 9 TzBfG erforderlichen annahmefähigen Angebot des Klägers, den Arbeitsvertrag unter Vereinbarung einer erhöhten regelmäßigen Wochenarbeitszeit zu ändern, gefehlt.

Ein ihm angezeigter Verlängerungswunsch verpflichte den Arbeitgeber nicht schon dazu, dem Arbeitnehmer bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einen Antrag iSv. § 145 BGB auf Abschluss eines Arbeitsvertrags mit erhöhter Arbeitszeit zu unterbreiten. Vielmehr löse die Anzeige des Arbeitnehmers lediglich die in § 7 Abs. 2 TzBfG bestimmte Informationspflicht des Arbeitgebers aus, den Arbeitnehmer über freie Arbeitsplätze zu informieren. Es ist sodann der Entscheidung des Arbeitnehmers überlassen, ob er seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit erhöhen will. Ist das der Fall, so hat er ein entsprechendes Vertragsangebot an den Arbeitgeber zu richten. Das Vertragsangebot hat hierbei den Anforderungen des § 145 BGB zu genügen und muss so formuliert sein, dass es nur noch der bloßen Zustimmung des Arbeitgebers bedarf.

Aus dem Unterlassen einer an sich gebotenen Information ergeben sich keine anderen Rechtsfolgen. Es bleibe Sache des Arbeitnehmers, ein Vertragsangebot zu unterbreiten und – soweit keine Einigung zustande kommt – den Anspruch gerichtlich zu verfolgen.

Der Kläger habe demnach dem beklagten Land kein auf die Änderung seines Arbeitsvertrags gerichtetes Angebot unterbreitet. Er habe nur den Wunsch angezeigt, seine regelmäßige Arbeitszeit zu erhöhen, und um Mitteilung gebeten, ob und ggf. welche Stellen zu besetzen seien. Ein annahmefähiges Vertragsangebot lag damit nicht vor, so das BAG.

Hinweise für die Praxis

Das BAG macht nochmals deutlich, dass – wie im Hinblick auf den Verringerungsantrag nach § 8 TzBfG – auch für den Antrag nach § 9 TzBfG gelten muss, dass dieser so bestimmt ist, dass der Arbeitgeber diesen nur noch durch ein bloßes „Ja“ annehmen muss, damit es zur gewünschten Vertragsänderung kommt (vgl. BAG, Urteil vom 13.02.2007 – AZR 575/05). Der unspezifische Wunsch eines Arbeitnehmers, die Arbeitszeit zu verlängern, ist hingegen nicht hinreichend bestimmt genug. Daher ist zu beachten, dass zwischen einem konkreten Vertragsangebot nach § 9 TzBfG und lediglich der Anzeige nach § 7 Abs. 2 TzBfG zu differenzieren ist. Nur ein konkretes Vertragsänderungsangebot nach § 9 TzBfG bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz kann Rechte des Arbeitnehmers nach § 9 TzBfG begründen.

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