sven koehnen handelsrecht p.jpgnadja schmidt vertriebsrecht.jpg

Anfechtung der Betriebsratswahl eines Gemeinschaftsbetriebes

Das BAG hat mit Beschluss vom 16.01.2018 (7 ABR 21/16) entschieden, dass ein Arbeitgeber berechtigt ist, die ausschließlich für seine Arbeitnehmerschaft durchgeführte Betriebsratswahl auch dann allein anzufechten, wenn er die Anfechtung darauf stützt, dass ein einheitlicher Betriebsrat für einen mit einem anderen Unternehmen geführten Gemeinschaftsbetrieb hätte gewählt werden müssen. Die Wahl muss nicht von allen an dem behaupteten Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgebern gemeinsam angefochten werden.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Wahlanfechtung darüber, ob ein gemeinsamer Betrieb besteht, und ob der erfolgreichen Wahlanfechtung der Umstand entgegensteht, dass die Arbeitgeberinnen nicht gemeinsam die in ihren jeweiligen Betriebsstätten vorgenommene Wahl angefochten haben.

Die beiden Arbeitgeberinnen nehmen jeweils in derselben Region Aufgaben des Rettungsdienstes wahr und unterhalten zu diesem Zweck Rettungswachen.

Die Arbeitgeberinnen, deren jeweiliger Sitz sich unter derselben Adresse befindet, haben denselben Geschäftsführer und unterhalten eine gemeinsame Personalabteilung und Lohnbuchhaltung. Sie beschäftigten jeweils ca. 200 Stammarbeitnehmer.

Im April 2014 wählten die bei der Arbeitgeberin zu 1 angestellten Arbeitnehmer einen aus sieben Personen bestehenden Betriebsrat.

Im Mai 2014 wählten die bei der Arbeitgeberin zu 4 angestellten Arbeitnehmer einen ebenfalls siebenköpfigen Betriebsrat.

Die Arbeitgeberinnen haben die Betriebsratswahlen in jeweils getrennten Verfahren angefochten und die Auffassung vertreten, die Wahlen seien unter Verkennung des Betriebsbegriffs erfolgt und daher unwirksam. Sie führten einen Gemeinschaftsbetrieb. Es hätte daher ein einheitlicher, aus neun Mitgliedern bestehender Betriebsrat gewählt werden müssen.

Die zu 2 und zu 3 beteiligten Betriebsräte haben beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie haben die Ansicht vertreten, da die Arbeitgeberinnen geltend machten, einen Gemeinschaftsbetrieb zu führen, seien sie nicht jeweils allein anfechtungsberechtigt. Vielmehr hätten die Arbeitgeberinnen zu 1 und zu 4 jede der beiden Wahlen gemeinsam anfechten müssen.

Das Arbeitsgericht hat den Wahlanfechtungsanträgen der zu 1 und zu 4 beteiligten Arbeitgeberinnen stattgegeben. Gegen diesen Beschluss haben die beteiligten Betriebsräte Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des einen Betriebsrats mangels Begründung als unzulässig verworfen. Auf die Beschwerde des anderen Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht den Antrag der Arbeitgeberin zu 1 abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin zu 1 ihren Wahlanfechtungsantrag weiter. Dieser hatte auch Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat entschieden, dass die Arbeitgeberin zu 1 anfechtungsberechtigt sei.

Nach § 19 II 1 BetrVG sei „der Arbeitgeber“ zur Anfechtung der Wahl berechtigt. Arbeitgeber sei derjenige, dessen Belegschaft den Betriebsrat gewählt hat und durch diesen repräsentiert wird. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtung der Wahl sei als betriebsverfassungsrechtlicher Ansprechpartner des Betriebsrats derjenige anzusehen, für dessen Arbeitnehmer die Wahl des Betriebsrats ausgeschrieben und durchgeführt wurde. Während dieser Zeit repräsentiere er die Arbeitnehmerschaft, für die er gewählt worden ist. Für diese nehme er die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten wahr. Dies gelte auch dann, wenn der Betriebsrat unter Verkennung des Betriebsbegriffs für einen Teil der Belegschaft eines Gemeinschaftsbetriebs gewählt wurde.

Diesem Verständnis stehe auch nicht die Rechtsprechung des 1. Senats des BAG entgegen, wonach die in einem gemeinsamen Betrieb mehrerer rechtlich selbstständiger, durch eine BGB-Gesellschaft verbundener Arbeitgeber durchgeführte Betriebsratswahl nur von allen an der BGB-Gesellschaft beteiligten Rechtsträgern gemeinsam angefochten werden könne. Denn dies betreffe eine Fallkonstellation, bei der eine für die Beschäftigten mehrerer Rechtsträger durchgeführte Betriebsratswahl angefochten werde und das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs unzweifelhaft sei. Vorliegend werde jedoch die für die Arbeitnehmerschaft eines einzelnen Rechtsträgers erfolgte Wahl angefochten und das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs sei streitig.

Da das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob die Arbeitgeberinnen einen Gemeinschaftsbetrieb führten, war die Sache an dieses zur abschließenden Tatsachenfeststellung zurückzuverweisen.

Hinweise für die Praxis

Das Urteil des BAG bringt mehr Rechtsklarheit.

Nach § 19 Abs. 2 BetrVG sind zur Anfechtung mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber berechtigt.

Handelt es sich um einen Gemeinschaftsbetrieb muss die Wahl nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG von allen an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Rechtsträgern gemeinsam angefochten werden. Insofern ist von einem einheitlichen Arbeitgeberbegriff auszugehen (s. hierzu BAG, Beschluss vom 28.11.1977 – 1 ABR 36/76 zum Gemeinschaftsbetrieb einer BGB-Gesellschaft; offen gelassen in BAG, Beschluss vom 10.11.2004 – 7 ABR 17/04).

Ist hingegen die Existenz eines Gemeinschaftsbetriebes gerade streitig, ist ein Arbeitgeber, für dessen Arbeitnehmer ein Betriebsrat gewählt worden ist, allein zu Wahlanfechtung berechtigt. Es ist dann nicht auf die Mitwirkung der anderen an dem behaupteten Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeber angewiesen.

Kontakt > mehr