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Anwendbarkeit des Sachmängelgewährleistungsrechts beim Kauf von GmbH-Geschäftsanteilen

Nicht nur beim Kauf eines Dieselfahrzeugs, sondern auch beim Kauf eines Unternehmens können sich im Nachhinein unerwartete Mängel zeigen. Für den Käufer stellt sich in beiden Fällen die Frage, was für Ansprüche er gegen den Verkäufer hat. Während sich dies beim Kauf eines Fahrzeugs unmittelbar nach dem kaufrechtlichen Sachmängelgewährleistungsrecht richtet, kommt es beim Kauf von Unternehmen darauf an, was der Käufer denn tatsächlich im konkreten Fall erworben hat.

Sofern der Käufer nicht jeden Gegenstand eines Unternehmens – jedes „asset“ – einzeln erwirbt, erfolgt der Kauf eines Unternehmens durch den Erwerb der Anteile der das Unternehmen führenden Gesellschaft. Es werden also die Geschäftsanteile an einer GmbH oder die Aktien an einer AG erworben. Streng rechtlich betrachtet, stellen diese Anteile keine Sachen dar, sondern (Anteils-)Rechte (sog. „shares“) dar. Für den Kauf von Rechten gelten die Gewährleistungsrechte des BGB, die für den Kauf von Sachen konzipiert wurden, allerdings nur eingeschränkt.

Beim Kauf eines Unternehmens durch den Kauf aller Anteile ist diese Abgrenzung zwischen Sachen und Rechten nicht wirklich interessengerecht. Deshalb hat der BGH bereits vor Jahrzehnten entschieden, dass beim Kauf eines Unternehmens im Wege eines „share deals“ das Sachmängelgewährleistungsrecht entsprechende Anwendung finden soll. Seine noch zum „alten“ Recht ergangenen Rechtsprechungsgrundsätze hat der BGH nun auch zum nicht mehr ganz „neuen“ Kaufrecht nach der Schuldrechtsmodernisierung bestätigt (Urteil vom 26.09.2018 – VIII ZR 187/17):

Nach Auffassung des BGH ist Sachmängelrecht dann sach- und interessengerecht, wenn es sich bei dem Anteilskauf faktisch um den Kauf des „ganzen“ Unternehmens handelt. Dies ist der Fall, wenn der Käufer sämtliche oder nahezu sämtliche Anteile an einem Unternehmen auf einmal erwirbt und sich der Anteilskauf damit sowohl nach der Vorstellung der Vertragsparteien als auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Kauf des Unternehmens selbst (und damit als Sachkauf) darstellt.

Dieser Grundsatz gilt nach Auffassung des BGH allerdings nicht für die sukzessive, in mehreren Schritten erfolgende Übernahme der gesamten Geschäftsanteile. So reiche eine Übernahme von lediglich 50% der (restlichen) Anteile weder nach der Partei- noch der Verkehrsauffassung für die Annahme eines Sachkaufs. Es sei grundsätzlich unerheblich, ob der Käufer bereits Anteile an der Gesellschaft halte und aufgrund dessen im Ergebnis die alleinige Verfügungsbefugnis über das betreffende Unternehmen durch den Kauf erhalte.

Schließlich hat der BGH in diesem Zusammenhang auch entschieden, dass eine Überschuldung keinen  – beim Kauf von Anteilen indes stets relevanten – Rechtsmangel darstellt. Der Bestand der Anteile werde hierdurch nicht gefährdet, da die Überschuldung für sich den rechtlichen Bestand eines vom Verkäufer abgetretenen Gesellschaftsanteils gerade noch nicht beeinträchtigen und Stimmrechte und Gewinnansprüche bestehen würden. Die geschuldete Rechtsstellung werde vielmehr auch bei Überschuldung und Insolvenzreife der Gesellschaft mangelfrei übertragen.

Anmerkung

Der BGH hat sich klar zur Anwendbarkeit des Sachmängelgewährleistungsrechts beim Kauf von Gesellschaftsanteilen positioniert:

Entscheidend für die Annahme eines Kaufs des „ganzen“ Unternehmens und damit für die Anwendbarkeit des Sachmängelgewährleistungsrechts ist der konkrete Kaufgegenstand. Werden alle Anteile auf einmal verkauft, gilt Sachmängelrecht. Werden die Anteile sukzessive verkauft, gilt Rechtsmangelrecht. Das gilt auch dann, wenn der Käufer – regelmäßig auch mit Wissen des Verkäufers – im Ergebnis das ganze Unternehmen erwerben will. Konkreter Kaufgegenstand ist aber, auch wenn der Käufer bereits einen nicht unerheblichen Anteil an der Gesellschaft hält, stets nur der im Kaufvertrag genannte Gegenstand und damit nur die restlichen Anteile an der Gesellschaft.

Die Rechtsprechung des BGH ist insoweit konsequent und nachvollziehbar. Allerdings verdeutlicht sie die herausgehobene Bedeutung entsprechender weitergehender Garantien in Anteilskaufverträgen, um sich als Käufer für Mängel des in Teilschritten erworbenen Unternehmens abzusichern.

Auch die Ablehnung eines Rechtsmangels bei Überschuldung der Gesellschaft schafft Rechtssicherheit. Andernfalls würde sich – wie der BGH selbst ausführt – im Einzelfall stets die schwierig zu beantwortende Frage anschließen, ab welcher Vermögenslage der Gesellschaft von einer rechtsmängelbegründenden Gefährdung des Bestands der Anteile auszugehen wäre. Eine vertraglich vereinbarte Bilanzgarantie wäre stattdessen sinnvoll.

Fazit: Es empfiehlt sich beim Verkauf von Unternehmensanteilen unverändert, detaillierte vertragliche Regelungen zu treffen – beispielsweise Garantien vorzusehen – und sich nicht allzu sehr auf das Gesetz zu verlassen. Anteilskaufverträge dürfen daher auch mal etwas ausführlicher und länger ausfallen.

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