Prof. Dr. F. Christian Genzow, Vertriebsrecht

Sonderrechtsrat zum Vertragsstreit bei Audi: Wie umgehen mit Vertragsänderungen des Herstellers?

Audi will die Verträge seiner Händler ändern. Weitere Marken aus dem VW-Konzern werden aller Voraussicht nach folgen. Viele Händler stehen dem skeptisch gegenüber. Doch wie ist die rechtliche Lage und was können sie aus juristischer Perspektive tun?

Zunächst einmal muss festgestellt werden, dass eine einseitige änderung von Verträgen nicht zulässig ist. Wenn Audi (die Verträge im VW-Konzern sind überwiegend wörtlich identisch) eine änderung des Vertriebskonzeptes vornehmen will, kann sie nur dem einzelnen Vertragspartner eine neue vertragliche Grundlage anbieten. Lehnt der Vertragspartner ab, bleibt Audi nur der Weg über die ordentliche Kündigung.

Grundsätzlich kann die ordentliche Kündigung mit einer Frist von 24 Monaten erfolgen; sie muss zudem eine ausführliche Begründung enthalten, die objektiv und transparent ist. Allerdings stellt die Rechtsprechung inzwischen keine allzu hohen Anforderungen an diese Begründung, da dies von der EU-Kommission heute nicht mehr als notwendig angesehen wird. Denkbar ist darüber hinaus auch die sogenannte Struktur-Kündigung mit zwölf-Monatsfrist. Diese setzt allerdings voraus, dass eine Umstrukturierung des Vertriebsnetzes vorgenommen wird, sei es insgesamt oder zumindest zu einem wesentlichen Teil.

Damit erschöpfen sich die Möglichkeiten für den Hersteller, das Vertragsverhältnis mit seinen Vertragspartnern zu beenden. Die Möglichkeit einer außerordentlichen beziehungsweise fristlosen Kündigung soll hier nicht weiter erörtert werden, sie bedarf ganz besonderer Umstände.

Vertrauen schützt

Doch auch die oben angeführten Kündigungen haben Schranken. Zwar gilt in der freien Marktwirtschaft der Grundsatz, dass sich jeder von seinem bisherigen Vertragspartner lösen können muss. Für eine Ausnahme bedarf es deshalb hoher Voraussetzungen. Konkret ist sie möglich, wenn der Vertragspartner auf Veranlassung des Herstellers und im Vertrauen auf eine langjährige Zusammenarbeit erhebliche Investitionen vorgenommen hat, deren Amortisation nicht und auch nicht zeitnah erfolgen kann.

In diesem Vertrauensschutz haben verschiedene Gerichte bereits eine Kündigungsschranke gesehen. Dann kann auch eine ordentliche Kündigung eine "Kündigung zur Unzeit" sein, die nicht gültig wäre. Andere Gerichte wiederum sehen keine Kündigungsschranke, aber eine Schadensersatzpflicht des Herstellers für nicht amortisierte Investitionen (entsprechend der gesetzlichen Regelung, die es im österreichischen Recht gibt). Allerdings gibt es auch einen Ausnahmefall in dem ein Gericht urteilte, dass der Händler die Investitionen anderweitig für ein Fabrikat nutzen könne. Es versagte ihm daher den Schutz.

Es besteht also in Deutschland immer noch eine recht unterschiedliche Rechtsprechung mit einem deutlichen Nord-Süd-Gefälle. Viel unterliegt dabei dem richterlichen Ermessen, so dass selbst bei erheblichen Investitionen durch den Vertragspartner ein Kündigungsschutz nicht absolut gesichert ist. Allerdings zeigt die Tendenz der Rechtsprechung, dass zumindest aber ein Schadensersatzanspruch wegen nicht amortisierter Investitionen besteht.

Unabhängig davon hat aber jede Kündigung auch erhebliche finanzielle Folgen für den Hersteller: Ausgleichsanspruch, Rücknahme der Vertragsware und schließlich gegebenenfalls Schadensersatzanspruch wegen getätigter Investitionen kann sich zu einem erheblichen Betrag summieren. Das hat bisher viele Hersteller veranlasst, von derartigen "Massenkündigungen" Abstand zu nehmen. Und diejenigen, die es getan haben, hatten lange an den finanziellen Folgen und dem damit einhergehenden Kundenverlust zu tragen.

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