Sven Köhnen, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Haftung des Geschäftsführers für Kartellgeldbußen

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.06.2017 (8 AZR 189/15) entschieden, dass in Klageverfahren über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Kartellbußen nicht die Gerichte für Arbeitssachen für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig sind, sondern die bei den ordentlichen Gerichten gebildeten Kartellspruchkörper ausschließlich zuständig sind, wenn sich in einem Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen kartellrechtliche Vorfragen im Sinne von § 87 Satz 2 GWB stellen und der Rechtsstreit ohne Beantwortung dieser Frage nicht entschieden werden kann.

Sachverhalt

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin, ein Stahlhandelsunternehmen, den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Der Beklagte war Mitglied der Geschäftsführung der Klägerin. Die Beklagte lastet ihm Verletzungen seiner Pflichten als Geschäftsführer an im Zusammenhang mit der Beteiligung des Unternehmens an rechtswidrigen Kartellabsprachen bei dem Vertrieb von Schienen und anderen Baumaterialien („Schienenkartell“). Geschädigt worden sind durch die illegalen Kartellabsprachen insbesondere die Deutsche Bahn, aber auch Auftraggeber des Privatmarkts, insbesondere im Bereich der Nahverkehrsanbieter. Das Bundeskartellamt hat gegen die Klägerin mit zwei Bußgeldbescheiden aus den Jahren 2012 und 2013 Bußgelder in Höhe von 191 Mio. EUR wegen verhängt. Mit den Klageanträgen zu Ziffer 1) und 2) macht die Klägerin Schadensersatzansprüche betreffend die gezahlten Kartellgeldbußen, mit anderen Klageanträgen weitergehende Schadensersatzansprüche geltend.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das LAG Düsseldorf hat mit einem Teilurteil vom 20.01.2015 (16 Sa 459/14) betreffend die Klageanträge zu Ziffer 1) und 2) entschieden, dass eine GmbH ein nach § 81 GWB von dem Bundeskartellamt gegen das Unternehmen verhängtes Bußgeld wegen Kartellverstößen nicht nach § 43 Abs. 2 GmbHG vom Geschäftsführer erstattet verlangen kann. Die hiergegen gerichtete Revision hatte nunmehr Erfolg, das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 29.06.2017 das Teilurteil aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat zur Begründung darauf verwiesen, dass das Landesarbeitsgericht entgegen den Vorgaben des § 87 Satz 2 GWB seine Zuständigkeit zur Entscheidung des Rechtsstreits angenommen hat. Ferner ist das Bundesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Entscheidung durch Teilurteil unzulässig war, weil der Senat aufgrund der bislang von dem Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen kann, ob der Rechtsstreit ohne Beantwortung der kartellrechtlichen Fragen entschieden werden kann.

Hinweise für die Praxis

Angesichts der in den letzten Jahren nach Anzahl und Höhe stark angestiegenen Bußgeldentscheidungen der nationalen und europäischen Kartellbehörden hat die Frage erhebliche Bedeutung, ob das betroffene Unternehmen die Kartellgeldbuße unter Schadensersatzgesichtspunkten von den an den rechtswidrigen Kartellabsprachen beteiligten Leitungspersonen ersetzt verlangen kann. Diese Frage hat trotz der aus Privatvermögen dieser Leitungspersonen regelmäßig nicht aufzubringenden Höhe solcher Schadensersatzforderungen vor dem Hintergrund von D & O – Versicherungen auch wirtschaftliche und nicht nur rechtliche Bedeutung. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, darunter das jetzt aufgehobene Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, hat sich den geltend gemachten Schadensersatzansprüchen eher ablehnend entgegengestellt. So ist das Landesarbeitsgericht Düsseldorf nicht nur von einer bloßen Einschränkung des Innenregresses im Sinne einer Haftungsbeschränkung zugunsten des Geschäftsführers ausgegangen, sondern hat einen vollständigen Ausschluss der Haftung des Organvertreters im Innenverhältnis für Bußgelder seiner Gesellschaft angenommen. Dies hat das Landesarbeitsgericht tragend damit begründet, dass eine Abwälzung der Geldbuße auf den Geschäftsführer das differenzierte Sanktionssystem des Kartellrechts entwerten und sowohl seinem spezial- als auch generalspräventiven Zweck zuwiderlaufen würde. Diese Rechtsauffassung wird nunmehr erneut überprüft werden müssen, denn das Landesarbeitsgericht wird unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts wegen der zwingend zu beantwortenden kartellrechtlichen Vorfragen kaum um eine Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Landgericht herumkommen. Die ordentliche Gerichtsbarkeit ist dem Schutzgedanken zugunsten von Unternehmensmitarbeitern traditionell weniger verhaftet, als die Arbeitsgerichtsbarkeit. Betroffenen Unternehmen ist daher mit Rücksicht auf eine möglich erscheinende Änderung der Rechtsprechung zugunsten von Unternehmen zu raten, die Verjährungsfristen sorgsam zu überwachen und erforderlichenfalls unterbrechende Maßnahmen zu ergreifen.

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