Stephanie Krüger, Arbeitsrecht

Der Auskunftsanspruch des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG)

Die Bundesregierung hatte Anfang 2017 den Gesetzesentwurf zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (kurz: Entgelttransparenzgesetz) beschlossen. Nachdem sowohl Bundestag als auch Bundesrat dem Gesetz zustimmten, ist das Gesetz am 06.07.2107 in Kraft getreten (BGBL. I 2017, 2152). Kernstück des Gesetzes ist der Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer unter anderem über die Höhe der Vergütung von anderen, vergleichbaren Arbeitnehmern des anderen Geschlechts.

Der Anspruch im Einzelnen

Gem. § 12 Abs.1 EntgTranspG steht der Auskunftsanspruch nur Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber zu. Besteht ein Gemeinschaftsbetrieb, soll folglich nicht die Gesamtzahl ausschlaggebend, sondern die jeweilige Beschäftigungsanzahl der verschiedenen Arbeitgeber. Das Auskunftsverlangen des Beschäftigten muss in Textform und unter Benennung der Vergleichstätigkeit an den Arbeitgeber oder den Betriebsrat erfolgen, je nach betrieblicher Absprache für die Zuständigkeit der Auskunftserfüllung. Inhalt des Anspruches können neben dem Median des Bruttoentgelts von vergleichbaren Arbeitnehmern des anderen Geschlechts, die Kriterien und das Verfahren zur Festlegung des Entgelts sowie bis zu zwei einzelne Entgeltregelungen sein.

Erfüllung durch den Arbeitgeber

Die Erfüllung eines Auskunftsverlangens beinhaltet zwei Schritte. In einem ersten Schritt muss der Arbeitgeber das jeweilige monatliche Bruttoentgelt der Beschäftigten ermitteln, die einer mit der des Anspruchsstellers vergleichbaren Tätigkeit nachgehen. Der tarifgebundene oder tarifanwendende Arbeitgeber wird privilegiert, so kann er sich in diesem Schritt etwa auf alle Beschäftigten derselben tarifvertraglichen Entgeltgruppe des Auskunftsstellers beschränken, vgl. §4 V EntgTranspG. Der tariffreie Arbeitgeber hingegen muss sich an den Beschäftigten orientieren, die der Auskunftssteller durch die Benennung einer Vergleichstätigkeit für entsprechend hält. Befindet der Arbeitgeber die benannte Tätigkeit für nicht gleichwertig, muss er dies anhand einer Gesamtschau von Faktoren begründen und Auskunft über die seiner Ansicht nach gleiche oder gleichwertige Tätigkeit erteilen (§ 11 Abs.3 Nr.2, 15 Abs. 4 EntgTranspG). Ausschlaggebende Faktoren könnten beispielsweise sein: Ausbildungsanforderungen, Arbeitsbedingungen, Fertigkeiten, Qualifikation, Verantwortung, physische oder psychische Belastungen, erforderliche Vorkenntnisse oder Fähigkeiten nach Art, Vielfalt und Gewichtung. In einem zweiten Schritt bildet der Arbeitgeber das Vergleichsentgelt „als [den] auf Vollzeitäquivalente hochgerechneten statistischen Median“ (§11 Abs.3 S.2 EntgTranspG) der im ersten Schritt ermittelten Bruttoentgelte. Die Bruttoentgelte der Teilzeitbeschäftigten müssen folglich auf entsprechende Vollzeitentgelte hochgerechnet werden. Aus den ermittelten Bruttoentgelten ist nun der Median zu errechnen. Dazu folgendes Beispiel:

Die sieben vergleichbaren Beschäftigten verdienen 1200€, 1400€, 1550€, 1600€, 1650€, 1650€, 1700€. Der Median wäre demnach €1600. Errechnet sich der Median aus einer geraden Anzahl an Gehältern, wird der Mittelwert der beiden Mittleren genommen, im Beispiel (ohne die 1700€) betrüge der Median 1575€.

Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber die Auskunft über ein Vergleichsentgelt verweigern kann, sofern er der Ansicht ist, es gäbe keinen Beschäftigten des anderen Geschlechts, der eine vergleichbare Tätigkeit ausübt. Insbesondere bestimmt §12 Abs.3 EntgTranspG, dass aufgrund des Schutzes von personenbezogenen Daten die Auskunft verweigert werden muss, wenn lediglich sechs Beschäftigte die vergleichbare Tätigkeit ausüben. Allerdings trägt der Arbeitgeber bei Auskunftsverweigerung im Streitfall die Beweislast, §15 V EntgTranspG.

Ergibt sich nach der Auskunftserteilung tatsächlich eine Lohndiskrepanz, kann der Arbeitnehmer nach dem Willen des Gesetzgebers ggf. einen „Erfüllungsanspruch“ auf Lohnanpassung sowie eine Entschädigung nach § 15 AGG verlangen. Da sich eine eventuell diskriminierende Benachteiligung aus dem Median der Vergleichsentgelte ergibt, bleibt fraglich inwiefern dem Beschäftigten damit der Weg zu einer Beweiserleichterung gem. §22 AGG geebnet wurde.

Rechtsunsicherheiten und Hinweise für die Praxis

Bereits jetzt gibt es Stimmen, die dem Gesetzgeber bescheinigen, das Ziel verfehlt zu haben. Neben hohem bürokratischem Aufwand bringe es keine Sicherheit, sondern sorge wahrscheinlich eher für Konflikte in der Belegschaft. Sicher ist, das neue Gesetz lässt zahlreiche Fragen für die praktische Anwendung offen. Ein großes Problem in der Praxis wird wohl die Bestimmung der Faktoren zur Vergleichstätigkeit darstellen. § 4 EntgTranspG bejaht eine Vergleichstätigkeit, wenn „gleiche Arbeit“ getätigt wird bzw. „gleichwertige Arbeit“. Zwar beruhen die dann im Gesetz beschriebenen Definitionen auf Rechtsprechung des BAG und des EuGH. Unklar ist jedoch, wie die Gewichtung der Faktoren ausfallen soll und wie sich eine Einteilung bei Fach- und Führungskräften gestaltet, bei denen es oftmals auf den persönlichen Einschlag ankommt.

Weiterhin ist noch nicht geklärt, ob der Anspruch auf Vergütungsanpassung etwaigen Ausschlussfristen unterliegt oder nur unter die Regelverjährung fällt. Arbeitgebern ist vorsorglich zu empfehlen, auf die Vereinbarung wirksamer Ausschlussklauseln zu achten.

Grundsätzlich unterliegt es der Vertragsfreiheit der Parteien und der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers, unterschiedliche Entgelte zu vereinbaren. Ausschlaggebend ist, dass die Differenzierung auf sachlichen Erwägungen beruht und nicht auf dem Geschlecht. Es ist Arbeitgebern zu empfehlen, ihr Entgeltsystem dahingehend zu überprüfen, dass anhand einer Gesamtschau der Kriterien eine Benachteiligung des Geschlechts nicht stattfindet. Eine solche Bestandsaufnahme hilft als Grundlage für einen geltend gemachten Auskunftsanspruch. Daneben dient sie auch der Kontrolle, ob das Entgeltgleichheitsgebot für gleiche oder gleichwertige Arbeit eingehalten wird.

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