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Baurecht: Bedenkenhinweis beseitigt auch die gesamtschuldnerische Haftung

Der Auftragnehmer führte Bodenbelagsarbeiten zur Sanierung eines Schulgebäudes aus. Vor der Ausführung wies er den Auftraggeber darauf hin, dass ein Planungsfehler vorliege, da notwendige Vorarbeiten nicht ausgeschrieben seien; für mangelfreie Arbeiten hätten zusätzlich alte Spachtelmassenschichten zurückgebaut werden müssen. Der Auftraggeber reagierte auf diesen Bedenkenhinweis überhaupt nicht und der Auftragnehmer führte die Arbeiten ohne die als notwendig erkannten Vorarbeiten aus. Es kam letztlich zu der Beulen- und Blasenbildung, vor der Letzterer gewarnt hatte. Dennoch beseitigte der Auftragnehmer die Mängel. Nun begehrt er vom Architekten, der die Arbeiten im Auftrag der Kommune fehlerhaft plante, anteiligen Kostenersatz im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs. Dies wurde ihm vom LG und OLG Stuttgart verwehrt.

Die Folgen

Nach Auffassung der Gerichte bestand von vorneherein kein Gesamtschuldverhältnis. Der Auftragnehmer hatte ordnungsgemäß Bedenken angemeldet und war deshalb von seiner Verantwortung für den entstandenen Mangel befreit. Er war zur Mangelbeseitigung nicht verpflichtet. Für den Schaden verantwortlich war der Planungsfehler des Architekten, für den der beauftragenden Kommune ein Mitverschulden zuzurechnen ist. Weder aus Gesamtschuld, noch aus gestörter Gesamtschuld, noch aus analoger Anwendung der Grundsätze gestörter Gesamtschuld bestehe eine Haftung. Der Auftragnehmer müsse sich letztlich an die Kommune halten, wenn er für die nicht geschuldete Mangelbeseitigung Geld begehrt.

Was ist zu tun?

Der Fall ist eine etwas bizarre Variante des Problemkreises der Gesamtschuld bei Baumängeln. Der Auftragnehmer hat sich so lange richtig verhalten, bis er den Mangel beseitigt hat, obschon die Verantwortung bei anderen lag. Ausdrücklich formuliert das OLG Stuttgart (Beschluss vom 21. November 2016, Az. 10 U 71/16) den Tenor, dass ein Bedenkenhinweis auch dann wirkt, wenn – wie hier – der Auftraggeber untätig bleibt und gar nicht reagiert. Wer indes einen Mangel beseitigt, dies aber ohne Verpflichtung aus eigener Haftung tut, wird nur mit allergrößten Schwierigkeiten eine wirtschaftliche Kompensation erlangen können. Wer dieser Situation aus dem Weg gehen will, muss die Entlohnung vor der Mangelbeseitigung regeln. Auch der Stadt gegenüber wird nämlich die Vergütungsklage für die Mangelbeseitigungsarbeiten nicht einfach werden und der Auftragnehmer letztlich wohl nur erfolgreich mit den Grundsätzen ungerechtfertigter Bereicherung argumentieren können.

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