Prof. Dr. F. Christian Genzow, Vertriebsrecht

Audi-Verträge: Änderung der Verträge und deren Folgen

Spätestens nachdem nun feststeht, dass die Verantwortlichen von VW und Audi die Unwahrheit gesagt haben, als sie im Januar 2017 dementierten, dass neue Handelsver­träge vorbereitet werden, muss für jeden klar sein: Es ist allerhöchste Vorsicht geboten.

Ein Rundschreiben des Volkswa­gen- und Audi-Partnerverbandes vom 18.05.2017 hat deutlich gemacht, dass die Änderungen, die Audi plant, außerordentlich drama­tisch sind und „bis zu 80 Prozent des aktuellen Geschäfts betreffen" können. Es ist daher nicht wirklich überra­schend, dass viele Händler fragen: Wel­che Rechte habe ich? Was ist zu tun und vor allem: Wer tut es?

Eine einseitige Abänderung der Ver­träge ist rechtlich nicht zulässig. Der Hersteller kann den Händlern also nur neue Verträge zur (wahrscheinlich als­baldigen) Unterzeichnung anbieten und ihnen für den Fall, dass sie sich weigern, mit einer Kündigungsfrist von einem oder zwei Jahren kündigen. Eine einjährige Kündigungsfrist setzt eine Strukturveränderung voraus, die zwei­jährige Kündigungsfrist, dass die Kün­digung mit kartellrechtlichen Grund­sätzen im Einklang steht.

Die einzig denkbare Kündigungs­schranke sind letztlich die Investitio­nen, die der Partner auf Veranlassung des Herstellers und im Vertrauen auf eine langjährige Zusammenarbeit ge­tätigt hat. Leider ist hier die Rechtspre­chung noch nicht einheitlich und weist ein deutliches Nord-Süd-Gefälle hinsichtlich eines damit einhergehenden Kündigungsschutzes auf: Einige Ge­richte lassen Investitionsersatz statt Kündigungsschutz zu, andere Gerich­te verneinen sogar beides. Folglich sollte kein Händler darauf vertrauen, dass ihm gegenüber eine Kündigung nicht durchsetzbar ist.

Änderung der Verträge

Das ist selbstverständlich ganz un­abhängig von der Frage, in welchem Umfang nachvertragliche Ansprüche bestehen, insbesondere Ausgleichsan­sprüche und Rücknahme der Vertrags­ware. Änderungen im Händlernetz werden daher nicht nur den Handels­partnern, sondern auch den Hersteller teuer zu stehen kommen.

Was ist zu erwarten? Bilanziert man die bisherigen Erkenntnisse, so stellt man fest: Es kann zu massiven Ein­schnitten im Händlernetz kommen. Die fortschreitende Digitalisierung wird mehr als bisher dazu führen, dass der Hersteller das Autogeschäft über­nimmt, zumal alle Automobilhersteller wegen der Elektrofahrzeuge mit einem deutlichen Rückgang im Ersatzteilvo­lumen rechnen. Diesen will der VW-Konzern offenbar durch Übernahme des Fahrzeugvertriebs kompensieren. Das wird auch bestätigt durch die Ab­sicht von Audi, jedenfalls einen großen Teil des Großabnehmergeschäftes an sich zu ziehen, insbesondere den so­genannten Acht-, Neun- und Zehn-Prozent-Bereich. Zudem dürfen nicht mehr sämtliche Händler Premiumfahrzeuge vertreiben. Folglich ist die Schätzung des VW-Audi-Partnerverbands, dass die Änderungen bis zu 80 Prozent des aktuellen Geschäfts betref­fen können, keineswegs unrealistisch.

Was ist zu tun? Es mag richtig sein, dass der einzelne Händler wenig aus­richten kann. Alle Händler zusammen können - könnten? - allerdings sehr viel bewirken. Das würde aber voraus­setzen:

  • die unbedingte Bereitschaft aller Händler, spätestens jetzt zusammenzustehen;
  • die unbedingte Bereitschaft eines jedes einzelnen Händlers, gemein­sam gefasste Beschlüsse auch um­zusetzen: Ein Nein heißt dann eben Nein und nicht „Nein, außer mir";
  • die Bereitschaft der Verantwortli­chen des Verbands, ohne Furcht vor persönlichen Konsequenzen die Händlerschaft konsequent auf eine eigene Strategie einzuschwören;
  • die Bereitschaft des Verbands, alle nur denkbaren wirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen in Betracht zu ziehen, um die gemein­sam erarbeitete Strategie umzuset­zen.

Wann ist es erforderlich, tätig zu werden? Der VW-Konzern hat seine Handelsorganisation schon einmal hingehalten, indem er bewusst und gezielt im Januar falsche Angaben durch die Vertriebsleiter aller drei Mar­ken machen ließ. Das darf nicht erneut passieren. Es muss also jetzt gehandelt werden. Jetzt heißt: Sofortige Mitglie­derversammlung zur Entwicklung ei­ner eigenen Strategie. Denn derzeit „kann" der VW-Konzern noch nicht ohne den Handel. Wie dies nach neuen Verträgen aussieht, ist völlig offen. Die Zeit zum Handeln ist gekommen - sonst wahrscheinlich nie mehr.

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