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Weihnachtsgratifikation: Sonderzahlung und billiges Ermessen

Eine Bestimmung im Arbeitsvertrag kann dem Arbeitgeber sowohl in Bezug auf den Vorschuss als auch auf die endgültige Höhe der Sonderzahlung in zulässiger Weise ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv. § BGB § 315 BGB einräumen. Allein die gleiche Bestimmung der Höhe über einen längeren Zeitraum führt nicht dazu, dass jede andere Leistungsbestimmung nicht mehr der Billigkeit entspräche, so das BAG (23.08.2017, 10 AZR 376/16).

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Zahlung eines weiteren halben Bruttogehalts in rechnerisch unumstrittener Höhe von 999,00 Euro als Sonderzahlung für das Jahr 2014. Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 1984 beschäftigt.

Der dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegende Arbeitsvertrag beinhaltet in § 3 zum Entgelt die Regelung: „Zusätzlich zum Grundgehalt wird - nach Ablauf der Probezeit - als freiwillige Leistung - eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt.“ Zudem wird danach im Juni ein Vorschuss in Höhe von bis zu einem halben Monatsgehalt gezahlt.

Bis einschließlich 2013 leistete die Beklagte an die Klägerin in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehalts. Eine Hälfte wurde dabei als Vorschuss mit der Vergütung für Mai und die andere mit der Vergütung für November abgerechnet und ausgezahlt. Außerhalb der Verdienstabrechnungen erfolgten seitens der Beklagten keine Mitteilungen über die Weihnachtsgratifikation.

In der Verdienstabrechnung der Klägerin für Mai 2014 war neben dem Monatsgehalt ein als „Abschl. J-gratifikat.“ bezeichneter Betrag in Höhe eines halben Bruttogehalts ausgewiesen, der nach Abzug von Steuern und Beiträgen netto an die Klägerin ausgezahlt wurde.

Nachdem die Beklagte im August 2014 für die „zweite Hälfte“ der Weihnachtsgratifikation ein negatives Betriebsergebnis vor Steuern prognostiziert hatte, entschied sie im September 2014, keine weitere Gratifikation an die Belegschaft zu zahlen. Im Oktober 2014 unterrichtete sie die Klägerin schriftlich darüber, dass „aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage …[der Beklagten] die Zahlung des zweiten Teils der Jahresendgratifikation mit der Novemberabrechnung 2014 nicht erfolgen“ könne.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Regelung in § 3 Abs. 2 Arbeitsvertrag sei intransparent und daher so auszulegen, dass jährlich mindestens ein Monatsgehalt als Weihnachtsgratifikation gezahlt werden müsse. Die Beklagte habe überdies bereits durch die Abrechnung und Zahlung eines Abschlags im Mai 2014 zum Ausdruck gebracht, dass eine zweite Zahlung in gleicher Höhe folgen werde. Der Anspruch bestehe aufgrund der langjährigen vorbehaltlosen Zahlungspraxis der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung.

Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

Auch das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin von der Beklagten nicht die Zahlung der zweiten Hälfte der Weihnachtsgratifikation für 2014 verlangen könne, da sich ein solcher Anspruch nicht aus § 3 des Arbeitsvertrags ergebe.

Richtig sei, dass der Arbeitgeber mit der Verwendung der Formulierung "Zusätzlich zum Grundgehalt" in § 3 des Arbeitsvertrags einen Entgeltanspruch des Arbeitsnehmers begründet. Zur Höhe der Weihnachtsgratifikation bestimmt der Arbeitsvertrag aber, dass sie "jeweils jährlich durch den Arbeitgeber" festgelegt wird. Dass die vertragliche Regelung der Beklagten sowohl in Bezug auf den Vorschuss als auch auf die endgültige Höhe der Weihnachtsgratifikation ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 BGB einräume, sei grundsätzlich zulässig. Höhe und Art einer Sonderzahlung müssen nicht abschließend im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Ob die vom Arbeitgeber vorgenommene Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspreche, unterliege der vollen gerichtlichen Kontrolle.

Dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten stehe auch nicht entgegen, dass sie in der Vergangenheit stets eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehalts gezahlt habe. Die gleichbleibende Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts führe nicht zu einer solchen Konkretisierung, dass jede andere Leistungsbestimmung per se nicht mehr billigem Ermessen entspräche. Der vorbehaltlosen Zahlung des Vorschusses im Mai 2014 konnte die Klägerin ebenso nicht entnehmen, dass die Beklagte auch diesmal insgesamt eine ganzes Bruttomonatsgehalt zahlen werde.

Der Anspruch der Klägerin auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen sei erloschen, nachdem die Beklagte das ihr zustehende Bestimmungsrecht wirksam ausgeübt und der Klägerin mitgeteilt habe, dass die Zahlung des zweiten Teils der Gratifikation aus wirtschaftlichen Gründen nicht vorgenommen werden könne. Die Leistungsfestsetzung entspreche zudem der Billigkeit, da die Beklagte im Einzelnen dargelegt habe, welche wirtschaftlichen Umstände sie zur Entscheidung bewogen haben. Die Entscheidung ist zudem nachvollziehbar, denn das Betriebsergebnis hätte nach den Prognosen vor Steuern Ende 2014 im vierstelligen Bereich unter null gelegen.

Zur betrieblichen Übung musste das BAG indes nicht mehr entscheiden, da insoweit bereits die Berufung unzulässig gewesen sei.

Hinweise für die Praxis

Nachdem die Rechtsprechung in der Vergangenheit insbesondere zum Thema Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt zu entscheiden hatte und dabei regelmäßig zu dem Ergebnis kam, dass vertragliche Regelungen wegen Intransparenz unwirksam waren, erfreut es, dass es einem Arbeitgeber hier gelungen ist zumindest die Höhe der zu leistenden Zahlung in sein Ermessen zu stellen. Die Entscheidung zeigt, dass es auf eine saubere vertragliche Formulierung ankommt. Soweit eine solche vorhanden ist, kommt es auch auf das Entstehen einer betrieblichen Übung nicht an.

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