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Arbeitsrecht: Sachgrundlose Befristung und Vorbeschäftigung

Das Hessische Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 11. Juli 2017 (8 Sa 1578/16) entschieden, dass jede Vorbeschäftigung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber der Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG entgegensteht, ohne dass es auf den Zeitpunkt der Vorbeschäftigung ankommt.

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Beklagten zunächst vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 beschäftigt. Sie nahm auf Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 24. Juni 2014 erneut eine Beschäftigung bei der Beklagten auf, die zunächst für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 30. Juni 2015 befristet war und mit Vereinbarung vom 9. April 2015 um ein weiteres Jahr zum 30. Juni 2016 verlängert wurde. Nach Ablauf der letzten Befristung erhob die Klägerin Klage und machte die Unwirksamkeit der sachgrundlosen Befristung ihres Arbeitsverhältnisses geltend. Sie vertrat dabei die Auffassung, dass die sachgrundlose Befristung gegen das vor Beschäftigungsverbot aus § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verstoße und machte geltend, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht aufgrund der vereinbarten Befristung geendet habe.

Entscheidungsgründe

In der ersten Instanz wies das zuständige Arbeitsgericht Fulda die Klage mit Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ab. Es hielt fest, dass die Vollbeschäftigung einer sachgrundlosen Befristung nach den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätzen  nicht entgegenstehe, da die Vorbeschäftigung länger als drei Jahre zurück liege. Es bezog sich insoweit auf die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze, wonach sich Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung insbesondere die Vermeidung von Kettenbefristungen sei, und wonach sich aus einer Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nach dem Wortlaut des Gesetzes, dem Gesetzeszusammenhang und der Gesetzesgeschichte ergebe, dass die Vorschrift nicht als zeitlich uneingeschränktes, absolutes Anschlussverbot zu interpretieren sei.

Das Hessische Landesarbeitsgericht folgte der Rechtsauffassung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts nicht. Es stütze sich in seiner Urteilsbegründung auf den Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG und führte aus, dass zwar der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinen Entscheidungen vom 6. April 2011 (Az.: 7 AZR 716/09) und vom 21. September 2011 (Az.: 7AZR 375/10) die Frage, ob der Formulierung „bereits zuvor“ ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot liege, dahingehend beantwortet habe, dass eine Vorbeschäftigung im Sinne dieser Vorschrift nicht gegeben sei, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurück liege. Das Hessische Landesarbeitsgericht wies darauf hin, dass dieser Rechtsprechung eine Reihe von Landesarbeitsgerichten - so das Landesarbeitsgericht Nürnberg (Urteil vom 8. Mai 2013, Az.: 2 Sa 501/12) und das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 15. Dezember 2016, Az. 11 Sa 735/16) nicht gefolgt seien. Außerdem sei die Frage, ob unter der gesetzlichen Regelung ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot zu verstehen sei, zwischenzeitlich auch Gegenstand einer beim Bundesverfassungsgericht eingelegten Verfassungsbeschwerde. Zudem habe der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts in einer Entscheidung vom 6. November 2003 festgehalten, dass das Anschlussverbot keine zeitliche Begrenzung enthalte.

Dies nahm das Hessische Landesarbeitsgericht zum Anlass, sich der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg und des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts anzuschließen. Es hielt in seinem Urteil fest, dass sich aus der Auslegung der Vorschrift anhand von Wortlaut, Regelungssystematik, Entstehungsgeschichte des Gesetzes und Normzweck ergebe, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als zeitlich unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot zu verstehen sei.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision ist beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 7 AZR 409/17 anhängig.

Hinweise für die Praxis

Das Hessische Landesarbeitsgericht befindet sich mit seiner Rechtsauffassung zur Auslegung der „Zuvorbeschäftigung“ des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in guter Gesellschaft. Es bleibt vor dem Hintergrund der zahlreichen Urteile der Landesarbeitsgerichte, die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abweichen, abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht bei erneuter Beurteilung dieser Rechtsfrage bei seiner einschränkenden Auslegung der „Zuvorbeschäftigung“ bleiben wird.

Beim Abschluss von Arbeitsverträgen, die sachgrundlos befristet werden sollen, ist daher zukünftig Vorsicht geboten: sofern mit diesem Mitarbeiter bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden haben sollte, könnte dieses frühere Arbeitsverhältnis der Wirksamkeit der sachgrundlosen Befristung entgegenstehen, und zwar unabhängig davon, welcher Zeitraum zwischen der früheren Beschäftigung und dem neu abzuschließenden Arbeitsverhältnis liegt.

Arbeitgebern ist daher zu empfehlen, die Frage einer etwaigen Zuvorbeschäftigung vor Abschluss eines sachgrundlos befristeten Vertrages sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls von der Möglichkeit aus § 14 Abs. 1 TzBfG Gebrauch zu machen, die Befristung auf einen Sachgrund zu stützen.

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