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Nebeneinander von Arbeits- und Dienstvertrag

Das BAG hat mit Urteil vom 27.06.2017 (9 AZR 851/16) entschieden, dass es rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber ein freies Dienstverhältnis begründet, das neben dem Arbeitsverhältnis besteht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das dem Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags zustehende Weisungsrecht nicht für die Tätigkeiten gilt, die der Vertragspartner aufgrund des Dienstverhältnisses schuldet.

Sachverhalt

Die Klägerin und das beklagte Land streiten darüber, ob die Klägerin einen Teil des Unterrichts im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses oder eines Arbeitsverhältnisses erteilt.

Auf der Grundlage eines „Dienstvertrags“ vom 25.03.1985 ist die Klägerin für das beklagte Land als Lehrerin an einer Musikschule tätig. Mit Datum vom 18.06.1986 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, der eine Beschäftigung der Klägerin als Musikschullehrerin mit 50% der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten vorsieht. Daneben erteilte sie weiterhin Musikunterricht aufgrund des „Dienstvertrags“ in zeitlich unterschiedlichem Umfang. Der „Dienstvertrag“ wurde mit einem „Honorarvertrag“ vom  24.07.2013 ersetzt. Konkret wurde im Honorarvertrag vereinbart, dass die Klägerin als freie Mitarbeiterin tätig sei und die vereinbarten Einzelaufträge persönlich wahrnehme. Auch sei die Klägerin als Musiklehrerin bei der Gestaltung und Durchführung ihres Unterrichts frei und an Weisungen der Musikschule nicht gebunden. Im Einzelunterricht könne die Klägerin den Unterrichtstermin und den Unterrichtsort mit den Musikschülern frei vereinbaren. Die Höhe des Honorars richte sich nach den von der für die Musikschule zuständigen Senatsverwaltung herausgegebenen Honorarsätzen. Die Klägerin beantragte festzustellen, dass sie in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Musikschullehrerin mit 21,63/30 einer Vollzeitstelle stehe.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage zurückgewiesen. Die zulässige Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Das BAG hat ausgeführt, dass zwischen den Parteien kein einheitliches Arbeitsverhältnis bestehe. Mit Abschluss des Honorarvertrags vom 24.07.2013 hätten die Parteien neben dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis ein freies Dienstverhältnis vereinbart. Entscheidend für die Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters sei der Grad der persönlichen Abhängigkeit. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Letztlich kommt es auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich.

Im schulischen Bereich sei insbesondere entscheidend, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist, in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Unterrichtserteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten und inwieweit sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden kann. Vor diesem Hintergrund seien Lehrkräfte, die an allgemeinbildenden Schulen unterrichten, in aller Regel Arbeitnehmer. Demgegenüber könnten Volkshochschuldozenten und Lehrkräfte an Musikschulen auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden.

In Anwendung dieser Grundsätze habe daher das LAG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise - so das BAG - angenommen, dass die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin, sondern als freie Dienstnehmerin anzusehen ist, soweit sie über den im Arbeitsvertrag vom 18.06.1986 vereinbarten Umfang hinaus für das beklagte Land tätig werde. Der Umstand, dass die Parteien einmal einen Arbeitsvertrag und darüber hinaus einen freien Dienstvertrag geschlossen haben, sei unerheblich. Ebenso wie ein Arbeitnehmer mehrere Arbeitsverhältnisse - auch zu ein und demselben Arbeitgeber (vgl. § 2 Abs. 2 TV-L) - eingehen könne, sei es rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass er zur selben Person in einem Arbeitsverhältnis und darüber hinaus in einem Dienstverhältnis steht. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass das dem Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrags zustehende Weisungsrecht nicht für die Tätigkeiten gilt, die der Vertragspartner aufgrund des Dienstverhältnisses schuldet. Wollte man anders entscheiden, beschnitte dies in unzulässiger Weise die Vertragsfreiheit der Parteien.

Hinweise für die Praxis

Das BAG hat klargestellt, dass ein Nebeneinander von Arbeitsverhältnis und freiem Dienstverhältnis grundsätzlich möglich ist. Arbeitgeber, die ein solches gesplittetes Vertragsverhältnis zur Grundlage machen wollen, sollten jedoch mit hoher Sorgfalt darauf achten, dass eine klare Trennung zwischen der weisungsgebundenen Tätigkeit und der frei zu erbringenden Tätigkeit vorliegt, um Rechtssicherheit zu schaffen. Denn andernfalls stellen sich nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch sozialversicherungsrechtliche Fragen. Ein gesplittetes Vertragsverhältnis wird auch nur dann umsetzbar sein, wenn letztlich auch ein freies Dienstverhältnis durchführbar ist. Bei dem hier vom BAG zu entscheidenden Fall einer Musiklehrerin war dies durchaus möglich. Inwieweit sich daher die Grundsätze des BAG auch auf andere Bereiche übertragen lassen, bleibt abzuwarten. Entscheidend dürfte jedenfalls stets der Einzelfall bleiben.

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