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Fristlose Kündigung  – Überwachung durch einen Detektiv

Das BAG hat mit Urteil vom 29.06.2017 (Az.: 2 AZR 597/16) entschieden, dass eine verdeckte Überwachungsmaßnahme datenschutzrechtlich jedenfalls auch dann zulässig sein kann, wenn sie der Aufdeckung eines auf Tatsachen gegründeten konkreten Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Arbeitnehmers dient.

Sachverhalt

Im Streitfall ging es um einen Arbeitnehmer, der bei dem Arbeitgeber seit mehr als 30 Jahren als Monteur von Stanzformen beschäftigt war. Der Arbeitnehmer war im Jahr 2014 mehrfach arbeitsunfähig krankgeschrieben. Seit Mitte Januar 2015 war er ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt, ab Anfang März 2015 ohne Entgeltfortzahlung. Der Arbeitgeber hatte den Verdacht, dass der Arbeitnehmer trotz der angeblichen Arbeitsunfähigkeit in der Konkurrenzfirma seiner Söhne tätig sei. Er ließ daher den Arbeitnehmer im Februar, März und Juni 2014 durch einen Detektiv überwachen. Nach Erhalt einer E-Mail eines Kunden, aus der sich weitere Anhaltspunkte für eine Konkurrenztätigkeit ergaben, erfolgte im Juni 2015 eine erneute Überwachung durch einen Detektiv. Der Detektiv stellte fest, dass der Arbeitnehmer bei der Konkurrenzfirma seiner Söhne tatsächlich Tätigkeiten nachging, die seiner früheren Tätigkeit beim Arbeitgeber entsprachen. Der Arbeitgeber hörte daher den Arbeitnehmer zu dem Verdacht der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit und zu dem Verdacht verbotener Konkurrenztätigkeit an. Der Arbeitnehmer äußerte sich hierzu nicht. Hierauf kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers ab, dagegen hielt das Landesarbeitsgericht die Klage für gerechtfertigt. Es führte hierzu insbesondere aus, dass der Arbeitgeber sich nicht auf die Ermittlungen des Detektivs berufen könne, da die Ermittlungen datenschutzrechtlich nicht durch § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gedeckt sein. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Ermittlungen keine Entgeltfortzahlung mehr geschuldet habe.

Entscheidungsgründe

Das BAG hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung zurück. Aus der Urteilsbegründung, die nunmehr vollständig vorliegt, ergibt sich, dass das BAG sowohl das Ausüben einer Konkurrenztätigkeit während des bestehenden Arbeitsverhältnisses als auch das Erschleichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen grundsätzlich als eine erhebliche Pflichtverletzung ansieht, die „an sich“ geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es hielt weiterhin fest, dass ein wichtiger Grund durch das Erschleichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen selbst gegeben sein könne, wenn der Entgeltfortzahlungszeitraum bereits abgelaufen sei, jedoch die Arbeitsunfähigkeit zu dem Zweck vorgetäuscht werde, einer Konkurrenztätigkeit nachzugehen. Das BAG teilte die Auffassung der Vorinstanz darüber, dass es sich bei der Observation des Arbeitnehmers durch einen Detektiv um eine Datenerhebung im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes gehandelt habe. Es machte jedoch deutlich, dass sich das LAG nicht darauf hätte beschränken dürfen, die Zulässigkeit der Maßnahme anhand von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zu überprüfen. Diese Vorschrift kann Überwachungsmaßnahmen des Arbeitgebers nur dann rechtfertigen, wenn sie zur Aufdeckung von Straftaten dienen, die im Beschäftigungsverhältnis begangen wurden. Da der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Ermittlungen durch den Detektiv bereits nicht mehr in der Entgeltfortzahlung war, hatte das LAG angenommen, dass diese Vorschrift die Überwachung nicht rechtfertigen könne. Das BAG ließ offen, ob das Erschleichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auch nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes eine Straftat im Sinne dieser Vorschrift darstellen könne. Es führte aus, das die Überwachung grundsätzlich nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gerechtfertigt sein könne, da diese Vorschrift eine Datenerhebung dann zulasse, wenn dies für die Durchführung oder für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sei. Die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten ordnungsgemäß nachkomme, gehöre auch zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses.

Das BAG stellt im Ergebnis fest, dass die durch die den Arbeitgeber veranlassten Überwachungsmaßnahmen zulässig sein könnten, da sie zu Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG erfolgt seien. Die Zulässigkeit der Maßnahme sei aber auch im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu bestimmen. Da es hierzu weiterer Feststellungen bedurfte, verwies das Bundesarbeitsgericht den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung zurück.

Hinweise für die Praxis

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts stellt klar, dass eine verdeckte Arbeitnehmerüberwachung, z.B. durch einen Detektiv oder eine Videokamera, nicht nur bei Verdacht einer Straftat, sondern auch bei anderen erheblichen Pflichtverletzungen zulässig sein kann. Zu beachten ist im jeden Fall, dass die Arbeitnehmerüberwachung und die damit verbundene Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers einen Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers mit sich bringen. Eine Überwachungsmaßnahme wird daher regelmäßig nur dann zulässig sein, wenn sie einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält und damit der Anlass der Datenerhebung nicht außer Verhältnis zur Intensität der Datenerhebung steht.

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