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Arbeitsrecht: Befristung

Das BAG hat mit Urteil vom 30.08.2017 (Az. 7 AZR 864/15) entschieden, dass die Eigenart der Arbeitsleistung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG die Befristung des Arbeitsvertrags einer Filmproduktionsgesellschaft mit einem Schauspieler sachlich rechtfertigen kann, der aufgrund einer Vielzahl von befristeten Arbeitsverträgen langjährig in derselben Rolle einer Krimiserie beschäftigt wurde.

Sachverhalt

Der Kläger ist Schauspieler und stellte in der vom ZDF ausgestrahlten und von der Beklagten im Auftrag des Fernsehsenders produzierten Krimiserie „Der Alte“ 18 Jahre lang den Kommissar „Axel Richter“ dar. Die Parteien schlossen jeweils sog. „Mitarbeiterverträge“ bzw. „Schauspielerverträge“ ab, die sich auf einzelne Folgen oder auf die in einem Kalenderjahr produzierten Folgen bezogen. Zuletzt wurde der Kläger durch Vertrag vom 13./16.10.2014 in der Zeit bis zum 18.11.2014 für insgesamt 16 Drehtage zur Produktion der Folgen Nr. 391 und 392 verpflichtet. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Befristung in dem zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrag sei mangels Sachgrunds unwirksam; außerdem liege eine unzulässige „Kettenbefristung“ vor. Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Die Befristung des mit dem Kläger zuletzt geschlossenen Vertrags ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG durch die Eigenart der Arbeitsleistung sachlich gerechtfertigt. Durch den in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG geregelten Sachgrund soll die Befristung von Arbeitsverhältnissen u.a. in dem durch die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) geprägten Gestaltungsinteresse des Arbeitgebers ermöglicht werden. Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung und Anwendung des Sachgrunds in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG darf aber nicht allein die Kunstfreiheit Beachtung finden. Vielmehr ist auch dem nach Art. 12 Abs. 1 GG zu gewährleistenden Mindestbestandsschutz des künstlerisch tätigen Arbeitnehmers Rechnung zu tragen. Dies gebietet eine Abwägung der beiderseitigen Belange, bei der auch das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers angemessen Berücksichtigung finden muss. Die Interessenabwägung ist Bestandteil der Sachgrundprüfung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG. Die Befristungskontrollklage hatte danach keinen Erfolg. Die Entscheidung der Beklagten, die Rolle des Klägers nur befristet zu besetzen, beruht auf künstlerischen Erwägungen, die von der Beklagten umgesetzt wurden. Die langjährige Beschäftigung des Klägers in der Rolle des Kommissars „Axel Richter“ in der Krimiserie „Der Alte“ überwiegt nicht das Interesse an einer kurzfristig möglichen Fortentwicklung des Formats durch die Streichung der vom Kläger bekleideten, im Kernbereich des künstlerischen Konzepts liegenden und die Serie mitprägenden Rolle.

Hinweise für die Praxis

Der Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung erfasst vor allem solche Arbeitsverhältnisse, bei denen verfassungsrechtliche Besonderheiten aus Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 GG zu beachten sind. Dazu gehören die programmgestaltenden Mitarbeiter von Rundfunkanstalten, Bühnenkünstler und Tendenzträger im Bereich der Presse, Kunst, Wissenschaft und Politik. Bei Nr. 4 handelt es sich um einen sog Verschleißtatbestand. D.h.: Bei bestimmten beruflichen Tätigkeiten kann im Laufe der Zeit die Eignung entfallen, beispielsweise wenn das Publikum nicht immer den gleichen Darsteller oder Sprecher sehen möchte (Abwechslungsbedürfnis des Publikums). Entsprechendes gilt im Sport, wo sich die Fähigkeit, sich oder andere zu motivieren, mit der Zeit abnutzen kann und deshalb nach einer gewissen Zeit ein Trainer- oder Spielerwechsel angezeigt ist. Der Befristungstatbestand ist indes nur sehr restriktiv anzuwenden. Jenseits der Bereiche Rundfunk, Fernsehen, Theater und sonstige Medien sowie im Sport oder bei Mitarbeitern der Parlamentsfraktionen hat er bislang keine praktische Bedeutung.

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