Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anordnung von Auslandsdienstreisen kraft Direktionsrecht

Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (LAG) vom 06.09.2017 kann ein Arbeitgeber Auslandsdienstreisen kraft Direktionsrecht anordnen, wenn die im Arbeitsvertrag „versprochenen Dienste“ (vgl. hierzu § 611 Abs. 1 BGB) ihrer Natur nach mit gelegentlichen Auslandseinsätzen verbunden sein können. Dies dürfte angesichts der zunehmenden Internationalisierung im Wirtschaftsleben für einen Großteil der Berufsbilder zutreffen.

Sachverhalt

Die Parteien haben darüber gestritten, ob ein Arbeitgeber berechtigt ist, Auslandsdienstreisen kraft Direktionsrecht anzuordnen.

Der Arbeitnehmer war nach Arbeitsvertrag als Projekt- und Konstruktionsingenieur in der Abteilung Elektrik/Elektronik des Produktgruppenbereichs Werkzeugmaschinen im Werk W. beschäftigt. Die Verwendung auf anderen Arbeitsgebieten, entsprechend der Ausbildung und den Kenntnissen des Arbeitnehmers, war im Arbeitsvertrag vorbehalten, weitere Regelung gab es nicht. Wegen der Reisekosten, die durch Dienstreisen verursacht werden, wurde allerdings auf die vom Arbeitgeber erlassenen allgemeinen Regelungen verwiesen.

Der klagende Arbeitnehmer war in der Vergangenheit in nur geringem Umfang auf Dienstreisen, bislang auch ausschließlich im nahen europäischen, zumeist deutschsprachigen Ausland. Nunmehr wurde er auf eine dreitägige Dienstreise zu einem chinesischen Kunden geschickt, wobei der Arbeitgeber bereits weitere Dienstreisen ankündigte. Der Arbeitnehmer warf dem Arbeitgeber nach der Dienstreise angesichts der Umstände vor Ort in China schikanöse Absicht vor und vertrat nunmehr die Auffassung, sein Arbeitsvertrag sehe eine Beschäftigung ausschließlich in W. vor. Auslandseinsätze seien deshalb grundsätzlich nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt.

Das LAG hat die Klage des Arbeitnehmers auf Feststellung abgewiesen, dass der Arbeitgeber Auslandsdienstreisen nicht kraft Direktionsrecht anordnen kann, dies wie auch bereits die Vorinstanz.

Entscheidungsgründe

Im ersten Schritt hat das LAG den Inhalt der arbeitsvertraglichen Regelung ausgelegt, da keine tariflichen Regelungen oder Betriebsvereinbarungen zur Anwendung kamen. Wenn der Inhalt oder der Ort der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag nicht festgelegt sind, ergibt sich der Umfang des Direktionsrechts des Arbeitgebers grundsätzlich aus § 106 GewO: Der Arbeitgeber kann hiernach Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Ist kein Ort im Arbeitsvertrag genannt, unterliegt die Zuweisung eines anderen Arbeitsorts nur der sog. Ausübungskontrolle gemäß § 106 GewO i.V.m. § 315 BGB. Ist im Vertrag dagegen ein Ort genannt, ist zu prüfen, ob damit eine vertragliche Beschränkung des Direktionsrechts gemeint ist oder ob die Benennung des Orts lediglich in erstmaliger Ausübung des Direktionsrechts erfolgt ist (vgl. hierzu BAG 28.08.2013, 10 AZR 607/12).

Nach Ansicht des LAG ergab die Auslegung des Arbeitsvertrages, dass der Ort der zu erbringenden Arbeitsleistung nicht abschließend geregelt ist, u.a. weil auf die Regelung zur Reisekostenerstattung verwiesen wurde und es sich bei der Benennung des Ortes W. nur um eine direktionsrechtliche Erstbestimmung gehandelt habe.

Da das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich des Orts der Arbeitsleistung vertraglich nicht eingeschränkt gewesen sei, solle nach Ansicht des LAG grundsätzlich eine bundesweit unbeschränkte örtliche Versetzung möglich sein. Ob indes Auslandsreisen angeordnet werden dürften, sei abhängig davon, zu was sich der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag verpflichtet habe, da die gesetzliche Regelung in § 611 BGB auf die „Leistung der versprochenen Dienste“ abstelle. Hierfür wiederum bedürfe es der Auslegung dazu, was die nach Arbeitsvertrag versprochenen Dienste und ob die versprochenen Leistungen gewissermaßen ihrer Natur nach auch mit Auslandsdienstreisen verbunden seien. Abzustellen sei dabei auf das Berufsbild und das Tätigkeitsprofil.

Eine Auslegung bereite naturgemäß keine Probleme bei Arbeitnehmern, die z.B. als Fahrer, Schiffs- und Flugbesatzungen oder Vertriebsmitarbeiter eingestellt würden. Das LAG stellt weitergehend fest, dass angesichts der seit Jahren verstärkt zu beobachtenden Entwicklungen im Wirtschaftsleben, die eine erhöhte Flexibilität erfordern und die von verstärkter internationaler Ausrichtung geprägt seien, ein Großteil der Mitarbeiter zu „gelegentlichen“ Auslandsdienstreisen verpflichtet seien, wobei dies aufgrund des Wandels der Berufsbilder auch dann gelte, wenn ein Arbeitnehmer vor zehn Jahren oder länger noch nicht mit solchen Dienstreisen habe rechnen müssen.

Da der Arbeitgeber im Rechtsstreit Maschinen entwickelte und konstruierte, die in die ganze Welt geliefert wurden, sei es nachzuvollziehen, dass es bei Problemen mit insbesondere auch vom klagenden Arbeitnehmer konstruierten Maschinen oder bei Umbauten oder Umzügen solcher Maschinen einer qualifizierten Betreuung bedürfe. Dass einem Projektingenieur, aber auch einem bloßen Konstruktionsingenieur, eine solche Betreuungsaufgabe „gelegentlich“ zufallen könne, liege in der heutigen Zeit durchaus in der Natur des Berufsbildes.

Das LAG hat deshalb im Ergebnis festgestellt, dass der Arbeitgeber Dienstreisen ins Ausland aufgrund der Regelung und des Berufsbildes des Arbeitnehmers grundsätzlich anordnen könne. Mit der Frage, ob die vom Arbeitnehmer im einzelnen dargestellte Schikane vorgelegen habe und deshalb evtl. die Ausübung des Direktionsrechts bei der Reise nach China nicht billigem Ermessen entsprochen hatte, musste das Gericht sich nicht auseinandersetzen, da es im Streit nicht um die abgeschlossene Dienstreise ging, sondern nur um den grundsätzlichen Umfang des Direktionsrechts.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung ist arbeitgeberfreundlich und zeigt erneut, dass das arbeitgeberseitige Direktionsrecht weit sein kann, auch wenn es im vorliegenden Fall im Arbeitsvertrag nicht besonders klar geregelt war. Ob das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung bestätigt, das LAG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zugelassen, bleibt indes abzuwarten.

Die Entscheidung zeigt aber auch wieder, dass unklare Regelungen in Arbeitsverträgen ausgelegt werden müssen, z.B. über den Rückgriff auf ein Berufsbild, was Risiken birgt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Aus Sicht des Arbeitgebers sollte deshalb das Direktionsrecht klar und wenn gewünscht auch weit vereinbart werden, so dass es zumindest auf der ersten Stufe der Prüfung, ob grundsätzlich Dienstreisen in das Ausland angeordnet werden können, möglichst wenig Streit und Unklarheiten gibt. Wenn regelmäßige Dienstreisen in das Ausland geschuldet sein sollen, sollte dies so im Arbeitsvertrag festgehalten werden, zumal das LAG nur auf „gelegentliche“ Dienstreisen abgestellt hat. Zudem sollte ein Arbeitnehmer i.S. einer fairen Transparenz auch wissen, was auf ihn zukommen kann.

Alleine mit der Vereinbarung eines weiten Direktionsrechts ist es aber nicht getan. Die Ausübung des Direktionsrechts muss auch billigem Ermessen entsprechen, und dies muss im Einzelfall auf der zweiten Stufe geprüft werden.

Wenn Arbeitnehmer sicher vermeiden wollen, dass sie für Dienstreisen „gelegentlich“ in das Ausland reisen müssen, sollte dies entsprechend im Arbeitsvertrag geregelt werden. Insoweit können die Interessen der Vertragsparteien aber auseinandergehen, da ein Arbeitgeber evtl. Probleme mit dem Wunsch haben wird, bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses die Einsatzmöglichkeit eines Arbeitnehmers einzuschränken, wenn es aus seiner Sicht gerade nicht auszuschließen ist, dass auch Dienstreisen in das Ausland erforderlich sind.

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