Prof. Dr. F. Christian Genzow, Vertriebsrecht

VW-Abgasaffäre: Genaue Prüfung von Mängeln notwendig

Die Volkswagen-Abgasaffäre kann für die Händler zu einer Reihe von juristischen Problemen führen - und zwar sowohl im Verhältnis zum Kunden als auch zum Hersteller.

Nicht verkaufte Neufahrzeuge

Zeichnet sich ab, dass Volkswagen die Mängel aufgrund fehlender Ressourcen in den nächsten vier bis sechs Wochen nicht beseitigen kann, hat der Händler das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. Das heißt, er kann die Fahrzeuge Zug um Zug gegen Erstattung des Einkaufspreises an VW zurückgeben und alle weiteren (beispielsweise Zins-) Kosten geltend machen. Denkbar ist es auch, anschließend eine Minderung geltend zu machen, deren Höhe derzeit schwer bestimmbar sein dürfte. Es ist aber notwendig, dass der Händler dem Hersteller eine Frist setzt, bevor er vom Vertrag zurücktritt oder die Minderung erklärt, falls Volkswagen die Mängel innerhalb von vier Wochen nicht beseitigt. Es handelt sich rechtlich um die gleichen Mängelansprüche, wie sie der (End-)Käufer gegenüber dem VW-Händler hat. Der Händler muss dabei jedoch die Verjährungsfrist beachten.

Arglistige Täuschung

Derzeit muss man davon ausgehen, dass der Hersteller Händler und Kunden bewusst getäuscht hat. Neben den Mängelansprüchen kommen daher auch die Rückgabe des Fahrzeugs und die Forderung von Schadenersatz wegen arglistiger Täuschung in Betracht. Gemäß § 124 BGB kann der Händler die Anfechtung binnen Jahresfrist erklären. Maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem er die anspruchsberechtigte Täuschung entdeckt hat.

Schadenersatzanspruch

Um die in diesem Umfang unvorhergesehenen Mängelansprüche der Kunden abwickeln zu können, muss der Vertragspartner viel Zeit investieren. So berichten einige Betriebe, dass sie 30 Mannstunden pro Woche zusätzlich benötigen, um die Kunden wegen der Abgasaffäre zu betreuen. Da zugleich eine arglistige Täuschung von Volkswagen vorliegt, ist der Hersteller für die entstehenden Mehraufwendungen ersatzpflichtig. Dies gilt umso mehr, wenn und soweit (beispielsweise aufgrund fehlender Hinweise und Anweisungen von Volkswagen) es notwendig ist, dass der Händler seinen Hausanwalt einschalten muss.

Volkswagen-Bank

Die Bank verlangt von den Händlern, dass sie finanzierte und geleaste Fahrzeuge nach Ablauf des Leasing-/Finanzierungszeitraums zurückkaufen, und zwar zu einem beim Kauf festgelegten Preis und "unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung".

Soweit die VW-Bank nicht bereit ist, den Kaufpreis wegen der Immissionsproblematik beträchtlich zu reduzieren, kommt folgende Vorgehensweise in Betracht:

Der Händler macht den Rückkauf von der Voraussetzung abhängig, dass der Hersteller den Mangel vorher (maximal innerhalb von vier Wochen) beseitigt. Ist das nicht möglich und verstreicht deshalb die Frist, kann er den Rücktritt vom Vertrag oder die Minderung erklären unter Hinweis darauf, dass der Gewährleistungsausschluss bei der vorliegenden Rechtssituation nicht greift.

Möglich ist auch, dass er insgesamt verweigert, Fahrzeuge zurückzunehmen und in einem konkreten Fall (sofern keine Einigung zustande kommt) eine gerichtliche Überprüfung hinsichtlich des Rücktrittsanspruchsgrundes und/oder der Minderungsansprüche vornimmt.

Es kann sich auch empfehlen, dass der Händler hinsichtlich aller Rückkaufverpflichtungen gegenüber der VW-Bank die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt. Denn die Bank ist eine 100-prozentige Konzerntochter und damit als "verlängerter Arm des Herstellers" anzusehen, die sich das Verhalten des Herstellers zurechnen lassen muss.

Sofern die VW-Bank wegen des erhöhten Rückkaufrisikos das Rating reduziert oder beabsichtigt, dies zu tun, sollte der Händler dem unverzüglich widersprechen und darauf verweisen, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Fall überprüfen sollte.

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