Dr. Barbara Mayer, Fachanwältin für Handels- und GesellschaftsrechtDr. Oliver Wasmeier

BGH zur Herabsetzung der Vorstandsbezüge wegen Verschlechterung der Lage der Gesellschaft

Verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage einer Aktiengesellschaft so, dass es unbillig wäre, an den vereinbarten Vorstandsbezügen festzuhalten, hat der Aufsichtsrat das Recht und die Pflicht, die Bezüge auf eine angemessene Höhe herabzusetzen. Der BGH hat nun entschieden, dass eine solche einseitige Anpassung jedenfalls dann gerechtfertigt ist, wenn der Vorstand die Gesellschaft zur Insolvenzreife geführt hat.

Hintergrund

Der Kläger war ab Frühjahr 2011 Finanzvorstand einer Aktiengesellschaft. Nach seinem bis zum Ende 2012 fest abgeschlossenen Anstellungsvertrag hatte er Anspruch auf eine Fixvergütung in Höhe von ca. 188.000 Euro sowie auf weitere Leistungen. Im Laufe des Jahres 2011 verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft. Der Aufsichtsrat berief daraufhin Ende 2011 den Kläger als Vorstand ab und stellte ihn frei, zunächst mit, ab Januar 2012 dann ohne Fortzahlung der Bezüge.

Nach Insolvenzeröffnung meldete der Kläger seine Gehaltsansprüche für Januar bis März 2012 sowie den "Verfrühungsschaden" für die Monate Juli bis Dezember 2012 zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter bestritt die Forderungen, woraufhin der Kläger den Rechtsweg beschritt. Das Oberlandesgericht Stuttgart gab der Klage in zweiter Instanz statt.

Das Urteil des BGH, Az. II ZR 296/14

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des OLG Stuttgart auf. Insbesondere habe das Oberlandesgericht der Klage nicht in voller Höhe stattgeben dürfen.

Denn der BGH sah die Voraussetzungen des § 87 Absatz 2 AktG erfüllt:  Eine „Verschlechterung der Lage" im Sinne des Gesetzes trete jedenfalls dann ein, wenn die Gesellschaft - wie hier -  insolvenzreif wird. Dann aber sei die Weiterzahlung der Bezüge in der bisherigen Höhe unbillig, und zwar nicht nur, wenn der Vorstand pflichtwidrig gehandelt habe, sondern auch wenn ihm zwar kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen sei, die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft jedoch in die Zeit seiner Vorstandsverantwortung falle und ihm somit zurechenbar ist.

Infolgedessen sei der Aufsichtsrat kraft zwingenden Aktienrechts verpflichtet gewesen,  die Bezüge auf einen Betrag herabzusetzen, der angesichts der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage nicht mehr als unbillig angesehen werden könne. Umgekehrt  betonte der BGH, dass die Aktiengesellschaft die Bezüge aber nicht weiter absenken dürfe, als es die Billigkeit angesichts der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage erfordere. Einer Untergrenze in Höhe der Gehälter der leitenden Angestellten - wie sie das OLG angenommen hatte - erteilte der Bundesgerichtshof eine Absage.

Anmerkung

Das Urteil des BGH verdeutlicht einmal mehr, dass in der insolvenznahen Beratung von Organen einer Aktiengesellschaft besondere Regeln gelten. Denn während üblicherweise der Grundsatz lautet „pacta sunt servanda"  (also: Verträge müssen erfüllt werden), kann das Gegenteil gelten, wenn die Gesellschaft in eine wirtschaftliche Schieflage gerät. In solchen Fällen hat der Aufsichtsrat das Recht und die Pflicht (!), die Bezüge der Vorstände angemessen zu kürzen. Dahinter steht der Gedanke, den Vorstand im Rahmen seiner Treuepflicht am Schicksal der Gesellschaft teilhaben zu lassen.

Bei GmbH-Geschäftsführern besteht keine dem § 87 Abs. 2 AktG vergleichbare Regelung, d.h. die GmbH muss ihrem Geschäftsführer die Vergütung grundsätzlich auch dann in der vereinbarten Höhe weiterzahlen, wenn sich die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft während dessen Amtszeit verschlechtert hat.  Diese unterschiedliche Behandlung von GmbH-Geschäftsführern und AG-Vorständen hinsichtlich ihrer Vergütung ist vom Gesetzgeber gewollt. Begründen lässt sie sich damit, dass der GmbH-Geschäftsführer - anders als der AG-Vorstand - den Gesellschaftern gegenüber weisungsgebunden ist und somit nicht die alleinige Verantwortung trägt, wenn die Gesellschaft in Schieflage gerät.

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