Dr. Barbara Mayer, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrechtjan barth gesellschaftsrecht a.jpg

Viertes EU-Justizbarometer vorgestellt

Am 11. April hat die Europäische Kommission in Brüssel das EU-Justizbarometer 2016 vorgestellt. Die Studie gibt einen vergleichenden Überblick über die Justizsysteme in den Mitgliedstaaten. Dabei treten erhebliche Unterschiede zutage. Das unterstreicht, wie wichtig Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarungen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr sind.

Wesentliche Inhalte der Studie

Das Justizbarometer stützt sich auf drei wesentliche Parameter: Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit. Indikatoren für die Effizienz sind vor allem die Zahl der anhängigen Verfahren, die Verfahrensdauer und die Verfahrensabschlussquote. Zur Beurteilung der Qualität der Justiz nimmt die Studie die finanzielle und personelle Ausstattung der Gerichte in den Blick und untersucht, wie Richter aus- und fortgebildet werden, welcher Qualitätssicherungsmechanismen sich die Gerichte bedienen und wie einfach Rechtsschutz für Bürger und Unternehmen zu erlangen ist. Zur Bewertung der richterlichen Unabhängigkeit wurde untersucht, welche Maßnahmen die Mitgliedsstaaten zur Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit ergreifen und wie die richterliche Unabhängigkeit von Bürgern und Unternehmen wahrgenommen wird.

Insgesamt zeigen sich im europäischen Durchschnitt moderate Verbesserungen hinsichtlich der Effizienz der Gerichte, wobei die deutlichen Verbesserungen einiger Mitgliedsstaaten die geringen Verschlechterungen bei deren Mehrzahl kompensieren. Die Schere etwa bei der Dauer erstinstanzlicher Zivilverfahren klafft weit auseinander: Während die Gerichte in den schnelleren Mitgliedsstaaten nach durchschnittlich drei Monaten zu einem Urteil kommen, dauert es in der Slowakei, in Italien oder in Malta im Durchschnitt über anderthalb Jahre. Deutliche Unterschiede bestehen hinsichtlich der Korrekturansätze, um derart langwierige Verfahren und einen Verfahrensrückstau zu verhindern. Während einige Mitgliedsstaaten ihre Rückstaus der vergangenen Jahre konsequent abarbeiten, drohen in Frankreich, in Zypern und vor allem in Griechenland neue Aktenberge: Dort werden insgesamt weniger Verfahren erledigt als Eingänge zu verzeichnen sind.

Auch die Integration des Internets in den Verfahrensablauf offenbart Unterschiede. Während in einigen Mitgliedsstaaten Online-Klageeinreichungen ebenso zum Standard gehören wie die Online-Veröffentlichung der Urteile, fehlt derlei in anderen Justizsystemen gänzlich.

Hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung der richterlichen Unabhängigkeit zeigen sich erhebliche Differenzen. Während fast 90% der dänischen Bürger ihre Richter für unabhängig halten, gilt das nur für knapp 20% der Italiener, Bulgaren oder Slowaken. Meist wird die befürchtete Beeinflussung durch Politik und Regierung als Grund genannt.

Das deutsche Justizsystem im vorderen Mittelfeld

Im europäischen Vergleich stehen die deutschen Gerichte gut da. Nachholbedarf besteht vor allem bei der Integration des Internets in den gerichtlichen Prozess: Klageerhebungen über das Internet und elektronische Gerichtsakten sind in Deutschland ebenso ferne Zukunft wie die Veröffentlichung sämtlicher Entscheidungen in Online-Datenbanken.

Hinsichtlich der Nutzung alternativer Streitbeilegungsmethoden nehmen deutsche Gerichte europaweit den ersten Rang ein. Sowohl bei 70% der Deutschen wie bei 70% der deutschen Unternehmen gelten die deutschen Gerichte als unabhängig. Weniger erfreulich ist die Lage in Bezug auf Fortbildung und EDV: Fortbildungen im europäischen Recht sind für deutsche Richter nicht selbstverständlich. Das gilt auch für die Nutzung von EDV im Gerichtssaal.

Fazit: Gewinner und Verlierer

Dänemark, Schweden, die Niederlande, Österreich aber auch Deutschland treten in der Studie mit vergleichsweise effizient arbeitenden Gerichten hervor, denen Bürger wie Unternehmen vertrauen. Im EDV-Bereich dürfte Deutschland in Kürze nachholen: Mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten aus dem Jahre 2013 hat der deutsche Gesetzgeber seinen Gerichten ab dem 1. Januar 2018 eine elektronische Kommunikation verordnet. Dessen Erfolg werden die Justizbarometer der folgenden Jahre messen.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass im internationalen Geschäftsverkehr – auch innerhalb der EU – gut überlegt sein sollte, welche Gerichte bei einem Streit zuständig sein sollen. Bereits bei der Vertragsgestaltung sollten daher Rechtswahlmöglichkeiten ausgelotet und entsprechende
Gerichtsstandsvereinbarungen getroffen werden. Gerade im Rechtsverkehr mit Italien, Griechenland, Bulgarien und der Slowakei können so langwierige und teure Prozesse vermieden werden.

Kontakt > mehr