Prof. Dr. F. Christian Genzow, Vertriebsrecht

Verträge sind zu halten

Ein Vertriebsvertrag enthält für beide Seiten Rechte und Pflichten. Für den Lieferanten die Pflicht zur hinreichenden Belieferung, für den Händler die Pflicht zur Förderung des Absatzes und die Ausschöpfung des Marktpotentials. Weil diese Pflichten für beide Seiten mit erheblichen Aufwendungen verbunden sind, ist ein solcher Vertriebsvertrag nur mit angemessenen Fristen zu kündigen, die regelmäßig zwei Jahre betragen.

Was aber ist die Konsequenz, wenn ein Lieferant sich dazu entschließt, ein Produkt einzustellen und nicht mehr zu liefern. Eine fristlose Kündigung des Vertrages durch den Lieferanten kommt in diesem Fall eher nicht in Betracht, weil die Einstellung eines Produktes nicht von heute auf morgen beschlossen wird und damit ggf. genügend Zeit bleibt, das Vertragsverhältnis mindestens mit angemessenen Fristen zu kündigen.

In Betracht kommt ein Aufhebungsvertrag, der aber für den Händler regelmäßig den Nachteil hat, dass er auf sonst bestehende Ansprüche verzichten muss.

Derartige Ansprüche können sich insbesondere als Schadensersatzansprüche darstellen, weil der Lieferant nicht liefert. Zusätzlich kommt auch noch ein Ausgleichsanspruch in Betracht. Dass der Ausgleichsanspruch nicht weitere Ansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüche ausschließt, hat auch gerade der EUGH betont (03.12.2014, C-338/14). Ein Schadensersatzanspruch richtet sich auf den Ersatz entgangener Erträge (nicht nur Gewinne), wobei ggf. ersparte Kosten in Abzug zu bringen sind. Maßgebend für den Umfang des Schadensersatzanspruches ist die Dauer bis zum Ablauf einer angemessenen ordentllichen Kündigungsfrist. Ob eine Einstellung des Betriebs eine „Umstrukturierung" darstellt und daher eine einjährige Kündigungsfrist denkbar ist, ist bisher noch nicht entschieden. Jedenfalls würde der Anspruch für entgangene Roherträge den Zeitraum von einem Jahr, maximal aber zwei Jahre betreffen.

Es stellt sich weiter die Frage nach dem Ausgleichsanspruch: Wenn der Unternehmer keine Vorteile mehr durch die Kundenadressen hat, gibt es auch keinen Ausgleichsanspruch. Bei Einstellung eines Produktes erscheint auf den ersten Blick deshalb kein Ausgleichsanspruch zu bestehen. Allerdings kann der Lieferant die Kundenadressen für alle anderen übrigen von ihm vertriebenen Produkte noch weiter nutzen, so dass durchaus noch ein Unternehmervorteil zu sehen ist, der sich allenfalls aber aus Billigkeitsgründen verkürzen könnte.

In genau dieser Situation stehen zurzeit die VW-Phaeton-Händler - und es ist angebracht, dass der VW-Konzern eine generelle angemessene Abfindugnsregelung anbietet, anstatt eine Aufhebungsvereinbarung zur Unterzeichnung vorzulegen, die die Rechte der Händler nur schmälern sollen.

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