Sven Köhnen, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Vertriebsrecht – Anspruch auf Zulassung zum Servicenetz eines Herstellers?

Die Frage, ob eine Werkstatt einen Anspruch auf Zulassung zu dem Servicenetz eines Herstellers hat, ist durch das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs wieder in den Mittelpunkt der vertriebsrechtlichen Diskussion gerückt.

Mit seiner Entscheidung vom 26.01.2016 (AZ. KZR 41/14) hat der BGH zum Ausdruck gebracht, dass man das Ergebnis aus der MAN-Rechtsprechung des BGH - kein Zulassungsanspruch - nicht ohne Weiteres pauschalieren kann, sondern dass entscheidend auf die Tatsachengrundlage des Einzelfalls abzustellen sei. Mit dem MAN-Urteil vom 30.03.2011 - KZR 6/09 und 7/09 hatte der BGH nämlich entschieden, dass sich weder aus dem deutschen noch aus dem europäischen Kartellrecht ein Anspruch auf Zulassung als Vertragswerkstatt oder "zugelassene Werkstatt" ergebe. Der BGH hatte jedoch im Gegensatz zur Kommission nicht auf die Marktstufe der Endkunden, sondern auf die vorgelagerte Marktstufe abgestellt. Auf diesem vorgelagerten Markt würden sich die Werkstätten als Nachfrager und die Fahrzeughersteller sowie weitere Anbieter von Kfz-Werkstattressourcen gegenüberstehen. Diese Marktdefinition des BGH hat das OLG Düsseldorf (Urteil vom 21.12.2011 - VI-U (Kart) 19/11) auch für den Servicemarkt für Personenkraftwagen übernommen. Darüber hinaus hat der BGH diesen vorgelagerten Markt im Gegensatz zur Kommission auch nicht markenspezifisch, sondern markenübergreifend abgegrenzt. Folge ist, dass die Hersteller aufgrund dieser markenübergreifenden Marktabgrenzung nur einen niedrigen Marktanteil von unter 30 Prozent haben. Damit kommen sie in den Genuss der GVO 330/2010 und können ihr Kfz-Werkstattgeschäft durch quantitative Selektion betreiben. Tatsächlich war der BGH an die Feststellung gebunden, dass der überwiegende Anteil der Serviceleistungen außerhalb des herstellereigenen Servicenetzes erbracht worden war. Der BGH hat daraus den Schluss gezogen, dass auf dieser Tatsachengrundlage nicht erkennbar ist, dass die Vergabe eines Servicevertrags notwendig für die Teilnahme an dem betreffenden Servicemarkt ist. Ein Kontrahierungszwang scheidet daher aus.

Wichtige Entscheidung

Mit seinem aktuellen Urteil vom 26.01.2016 hat der BGH nochmals deutlich gemacht, dass die Verhältnisse auf dem nachgelagerten Endkundenmarkt durchaus Auswirkungen auf die sachliche Abgrenzung des vorgelagerten Marktes haben können. Folge kann daher sein, dass der vorgelagerte Markt nicht markenübergreifend, sondern vielmehr markenspezifisch abzugrenzen ist. Denn maßgebend für die Marktabgrenzung auf dem vorgelagerten Markt sei, ob Freie Werkstätten, die Arbeiten an Personenkraftwagen einer bestimmten Marke durchführen wollen, eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit haben, diese Tätigkeit auch ohne den Status einer Vertragswerkstatt des jeweiligen Herstellers auszuüben. Sei dies nicht der Fall, so sei der Hersteller hinsichtlich des Zugangs zu Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen für seinen Markt marktbeherrschend und der vorgelagerte Ressourcenmarkt markenspezifisch abzugrenzen.

Damit hat sich der BGH der Kommission angenähert, nach welcher es bei der Marktabgrenzung grundsätzlich auf die Sicht des unmittelbaren Vertragspartners ankomme. Im Rahmen der Marktabgrenzung stellt die Kommission auf die nachgelagerte Marktstufe der Endkunden ab und damit ausschließlich auf die Sicht des Endkunden. Darüber hinaus grenzt die Kommission die relevanten Märkte stets markenspezifisch ab. Das hat zur Folge, dass die Marktanteile der Hersteller regelmäßig oberhalb der für das Kfz-Werkstatt-, Kundendienst- und Ersatzteilgeschäft maßgeblichen Schwelle von 30 Prozent gemäß Art. 3 Abs. 1 VO 330/2010 liegen. Dadurch wird erreicht, dass die Hersteller für Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen sowie für den Ersatzteilvertrieb kein quantitatives, sondern nur ein qualitativ selektives Werkstattnetz unterhalten können.

Von Bedeutung ist auch, dass der BGH das Verfahren an das OLG Frankfurt zurückverwiesen hatte, damit dieses feststellt, welche Erwartungen die Kunden haben. Denn die Vorgerichte hatten nach Auffassung des BGH keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die es erlaubten, die für den Nutzfahrzeugmarkt getroffene Bewertung ohne Weiteres auf einen Markt zu übertragen, der dem Markt für die Reparatur von Personenkraftwagen der Marke Jaguar vorgelagert ist.

Nach dem BGH muss daher zukünftig in tatsächlicher Hinsicht festgestellt werden, ob die Ansprüche, Erwartungen und Gepflogenheiten von Fahrzeugeigentümern im Bereich der Personenkraftwagen von denen im Bereich der Nutzfahrzeuge abweichen. Das kann zur Folge haben, dass dann eine markenspezifische Abgrenzung vorzunehmen ist und ein Kontrahierungszwang besteht.

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